Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
Emerson. »Es wird höchste Zeit, dass wir aus dieser verfluchten Stadt herauskommen. Ist Nefret reisefertig?«
Am Morgen ihrer Abreise frühstückten Nefret und Ramses – ihm kam es entsetzlich früh vor – allein in ihrem Zimmer.
»Ich brauche jede Minute für das Krankenhaus«, führte sie aus. »Da Vater unbedingt heute abreisen will.«
»Er hätte es noch einmal verschoben, wenn du ihn darum gebeten hättest.«
»Das konnte ich doch nicht tun. Er ist versessen darauf, nach Luxor zu kommen und ein paar Grabräuber zu stellen. Du brauchtest doch nicht so früh aufzustehen. Du musst mich nicht begleiten.«
»Wäre es dir lieber, wenn ich nicht mitkäme?«
»Du kannst gern mitkommen.« Die Stirn kaum merklich gekraust, konzentrierte sie sich auf die Toastscheibe, die sie gerade durchschnitt. »Allerdings ist es langweilig für dich. Du hast neulich Abend kaum ein Wort gesagt, als wir mit Sophia und Beatrice essen waren.«
»Entschuldige«, meinte er gedehnt.
»Du sollst dich nicht entschuldigen, verflucht noch mal!« Sie legte ihr Messer beiseite und bedachte ihn mit einem geknickten Lächeln. »Du musst dich nicht rechtfertigen, Schätzchen. Es war doch nicht als Vorwurf gemeint. Du wärst ohnehin nicht zu Wort gekommen! Es war unhöflich von uns, dich nicht in die Unterhaltung miteinzubeziehen.«
»Ist schon in Ordnung.« Die Pronomen stießen ihm unangenehm auf. Uns und dich. »Wenn es dir nichts ausmacht, komme ich mit. Ich möchte jemanden aufsuchen, das heißt, wenn ich ihn finde.«
»Wen?«
Während sie durch die elegante Hotelhalle ins Freie strebten, beschrieb er ihr seine Begegnung mit Musa.
»Das hast du mir gar nicht gesagt«, maulte Nefret, dann fasste sie lachend seinen Arm. »Du bist nicht zu Wort gekommen, stimmt’s? Sophia hat mir von el-Gharbis Verhaftung erzählt. Wusstest du, dass er immer wieder betont hat, dass man uns keine Schwierigkeiten machen soll?«
»Ich könnte es mir zumindest vorstellen.«
»Ich hätte nie gedacht, dass ich die Festnahme des schlimmsten Zuhälters von Kairo bedauern könnte.« Ihr Gesicht verfinsterte sich. »Und Sophia sagt weiter, dass sich die Situation zugespitzt hat. Mehr Misshandlungen, und immer weniger Frauen kommen zu uns.«
»Musa möchte, dass ich mich für el-Gharbi einsetze. Soll ich versuchen, ihn rauszuholen?«
»Könntest du das?«
»Möchtest du, dass er freikommt?«
»Oh, ich weiß nicht«, sagte Nefret skeptisch. »Was ist das kleinere von zwei Übeln? Halte dich da besser raus, Schätzchen. Ich will nicht, dass du wieder mit der Polizei zu tun bekommst.
Russell würde versuchen, dich für irgendeinen miesen Job anzuheuern, und das lasse ich nicht zu.«
»Russell steckt momentan bis zum Hals in stinknormaler Polizeiarbeit. Es gibt eine neue militärische Geheimorganisation – besser gesagt, es wird sie geben, wenn sie es jemals hinkriegen. Sie schieben Leute hin und her. Clayton und das Arabische Büro sind jetzt –«
»Wie hast du das erfahren?« Ihre Augen wurden schmal, ihr Ton scharf.
»Von Wingate, größtenteils. Und das eine oder andere Gerücht und Geschwätz.«
»Oh, sehr informativ. Ramses, es interessiert mich nicht, wer was mit wem tut, solange es nicht dich betrifft. Versprich mir, dass du dich von ihnen fern hältst. Von allen!«
»Ja, Ma’am.«
Ihre verkniffenen Lippen verzogen sich zu einem bezaubernden Grübchenlächeln, und als weiteres Zeichen ihres guten Willens erzählte sie ihm, dass sie rechtzeitig zum Mittagessen zurück sein werde. Ramses sah ihr nach, als sie leichtfüßig die Treppen hinauflief und im Innern verschwand, dann machte er kehrt.
Konnte er el-Gharbi da rauspauken? Vermutlich nicht. Es sei denn … der Gedanke war ihm erst gekommen, als Nefret ihn darauf angesprochen hatte. Sehr wahrscheinlich war es Thomas Russell gewesen, der ihn hinter Schloss und Riegel gebracht hatte. Wenn er Russell überzeugen könnte, dass el-Gharbi Informationen hatte, die ihm nützlich sein …
Die Antwort lautete weiterhin Nein. Russell würde nicht mit jemandem verhandeln, den er so tief verachtete wie diesen Zuhälter. Blieben trotzdem zwei Fragen, die Ramses gern beantwortet bekommen hätte: der Aufenthaltsort seines nervtötenden Onkels und die Identität des Mannes, der die Artefakte an Aslimi verkauft hatte. El-Gharbi hatte ehemals seine Finger in sämtlichen illegalen Aktivitäten in Kairo gehabt, aber Drogen und Prostitution waren seine Hauptinteressen; gestohlene Antiquitäten und Spionage
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