Amelia Peabody 14: Die goldene Göttin
und für das Land, das ihm seine Geburtsrechte verweigerte … Ramses war sicher, dass er auch weiterhin solche Gefahren einginge. War er aufgetaucht, um sie zu begrüßen, weil er im Begriff stand, eine Mission zu übernehmen, von der er vielleicht nicht zurückkehrte? Das mochte weit hergeholt sein, aber Ramses war selber einmal ein Mitspieler im »Großen Spiel« gewesen und von daher bestens vertraut mit jenen fatalistischen Gemütern.
Er erwähnte dies nicht, auch nicht gegenüber seiner Frau. Es würde sie und die anderen nur beunruhigen, sein Vater eingeschlossen. Ramses ließ sich von Emersons vorgeschobener Gleichgültigkeit nicht beirren. »Bastard« war einer von Emersons Lieblingsbegriffen. Doch fiel auf, dass er diesen nie im Zusammenhang mit seinem illegitimen Bruder benutzte.
Allerdings hatten sie seither kein Lebenszeichen von Sethos erhalten und auch keinen Hinweis darauf, dass er wieder im Antiquitätengeschäft tätig war. Ramses war erleichtert über den Entschluss seines Vaters, Kairo zu verlassen. Wenn Nefret darauf bestanden hätte, ihn auf einem Rundgang durch die Kaffeehäuser zu begleiten, hätte er ihr dies nicht abschlagen können; sie beanspruchte für sich, eine gleichberechtigte Partnerin bei all seinen Unternehmungen zu sein, und sie hatte es weiß Gott verdient. Er meinte auch, glaubwürdiges Entgegenkommen gezeigt zu haben, trotzdem standen ihm noch immer die Haare zu Berge bei der Vorstellung, sie mit Dieben und Mördern konfrontiert zu sehen.
Wie dem auch sein mochte, er zog Luxor Kairo vor und die thebanischen Grabfelder denen des antiken Memphis. Emerson war es gelungen, eine offizielle Genehmigung für die Exkavation des frühzeitlichen Dorfes bei Deir el-Medina zu bekommen, und Ramses freute sich auf eine lange, friedliche Periode ausschließlich archäologischer Arbeit. Sie würden weder vergrabene Schätze noch verschollene Grabstätten finden, und das war ihm nur recht. Was die kürzliche Entdeckung anbelangte, die Cyrus Vandergelt so brennend interessierte, so hoffte Ramses, seinen Vater zu überzeugen, sich aus dieser Sache herauszuhalten. Im Jahr zuvor hatten sie gerade genug Ärger mit Grabräubern gehabt.
Das Haus war wegen der umfassenden Veränderungen seiner Mutter kaum wiederzuerkennen. Ringsum standen neue Anbauten. Die schattige Veranda war zum Glück erhalten geblieben, genau wie der Salon mit seinen schönen alten Teppichen und den vertrauten Möbeln. Nefret strebte sogleich zum Klavier und ließ ihre Finger über die Tasten gleiten.
»Ist es verstimmt?«, fragte Fatima besorgt. »Ich werde jemanden finden –«
»Ich kann mir nicht vorstellen wo«, kicherte Nefret. »Eigentlich klingt es noch recht gut, unter den gegebenen Umständen.«
»Für mich klingt es hervorragend«, erklärte Emerson, dem jedes musikalische Gehör abging. Er sah sich mit einem Ausdruck tiefer Zufriedenheit um. »Hilf mir, diese Bücher auszupacken, Nefret. Immer eins nach dem anderen.«
Sie waren noch nicht sehr weit gekommen, als sich Besucher ankündigten. Die Nachricht von ihrer Ankunft hatte Gurneh schon vor ihnen erreicht. Abdullahs vielköpfige Familie zählte fast fünfzig Personen, und Ramses gewann den Eindruck, dass die meisten Hals über Kopf gekommen waren, um sie willkommen zu heißen. Die Mädchen servierten Kaffee und Pfefferminztee, und eine ausgelassene Unterhaltung schloss sich an. Sennia war in ihrem Element, ließ sich von einem Arm zum anderen weiterreichen, und Emerson sprach mit mehreren Leuten gleichzeitig.
Ramses sah sich suchend nach Nefret um und entdeckte sie angeregt plaudernd mit Daouds Gattin, Kadija, eine hoch aufgeschossene, sehr würdevolle Frau nubischer Herkunft. Laut Nefret hatte Kadija einen ausgeprägten Sinn für Humor, was alle anderen vorbehaltlos glauben mussten, da sie ihnen keine ihrer Geschichten erzählte. Offenbar gab sie soeben etwas aus ihrem Repertoire zum Besten; Nefret lachte verschmitzt. Ramses gesellte sich zu ihnen. Er war enttäuscht, aber keineswegs überrascht, als Kadija den Kopf senkte und davonhuschte.
»Was war denn so lustig?«, erkundigte er sich.
Nefret hakte sich bei ihm unter. »Ach, nichts Besonderes. In der Übersetzung würde es ohnehin an Witz verlieren.«
»Ich verstehe das Arabische.«
»Aber nicht Kadijas Humor.« Sie lachte ihn an, und er dachte, wie so viele Male jeden Tag, dass sie wunderschön war und dass er sie über alles liebte. Darüber vergaß er Kadija.
»Yusuf ist nicht hier«, sagte
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