Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms
festhielt. Evvie wollte aber nicht festgehalten werden und sagte ihr das klipp und klar. Maryam lachte. »Dann mach nicht so schnell. Ich halte dich nicht fest, wenn du den armen Esel Schritt gehen lässt.« Sie schien genauso viel Spaß zu haben wie die Kinder, und Sethos’ harte Züge entspannten sich merklich.
Die Esel signalisierten erste Anzeichen von Unmut.
»Genug«, brüllte Emerson und hob Davy von dessen Reittier. Dieses wollte sich keinen Schritt weiter bewegen.
»Lauft und ruht euch vor dem Tee noch ein bisschen aus, ja?«
»Sie nicht, aber ich«, meinte Lia. »David?«
»Ich habe Maryam eine Reitstunde versprochen«, sagte David. »Sie war wunderbar zu Dolly.«
»Er ist ein so lieber kleiner Junge«, meinte Maryam, über sein Lob errötend. »Ihm vorzulesen ist ein Vergnü gen, er hört genau zu und stellt intelligente Fragen. Ich brauche wirklich keine Belohnung, und du musst müde sein und …« Ihre glatten Wangen wurden noch rosiger.
»Ich gestehe, ich habe Angst vor Pferden.«
»Umso mehr Grund, sich an sie zu gewöhnen«, fand ihr Vater. »Meinst du nicht auch, Amelia?«
»Auf jeden Fall«, lautete die schroffe Antwort. »Unsere Pferde sind absolut gehorsam.«
»David, wenn du willst, übernehme ich das für dich«, schlug Ramses vor. »Du warst länger mit den Kleinen zusammen als ich.«
David grinste und fuhr sich mit den Fingern durch die zerzausten Locken. Evvie hatte seine Haare als Zaumzeug benutzt. »Von mir aus gern. Du reitest sowieso besser als ich. Sie kann Asfur nehmen.«
»Ich hab nicht die richtigen Sachen an«, maulte Maryam.
»Du musst nicht reiten, wenn du nicht magst«, stärkte Lia ihr den Rücken. »Aber du kannst dir gern meine Reitgarderobe ausleihen. Ich weiß bloß nicht, wie wir das mit den Stiefeln machen sollen, deine Füße sind winzig. Vielleicht passen dir die von Sennia.«
Nach einem Abstecher in die Küche ging Ramses in den Stall, wo sein Vater und Sethos die Pferde inspizierten. »Großartige Tiere«, sagte Letzterer. »Schon mal daran gedacht, eins zu verkaufen?«
»Dir?«, fragte Emerson misstrauisch. »Wofür?«
»Zum Reiten«, erklärte sein Bruder.
Bevor Emerson eine passende Retourkutsche einfiel, gesellten sich die Mädchen zu ihnen. Von der Reitkappe bis zu den Stiefeln – Sennias, vermutete Ramses – war Maryam angemessen gekleidet und sah sehr hübsch aus.
Allerdings war sie von Asfur überhaupt nicht begeistert. »Sie ist so groß«, sagte sie und wich zurück, als Davids Stute sie sanftmütig anschaute. »Gibt es denn nichts Kleineres?«
Emerson, der sie begleitet hatte, schnalzte beschwichtigend und sah aus, als wollte er ihr über den Kopf streicheln. Selbst Sethos grinste nicht so ironisch wie sonst.
»Araber sind kleiner als die meisten anderen Rassen«, erklärte Ramses. »Und Asfur ist wirklich lammfromm.«
»Was ist mit diesem?«, erkundigte sich Maryam, als sie an den Boxen vorbeigingen.
Die junge Stute, eine Enkelin des ursprünglichen Zuchtpaares, hob forschend die Nüstern über das Gatter.
Sie war reinweiß und wie alle Araber zutraulich wie eine Hauskatze.
»Ich weiß nicht«, meinte Emerson gedehnt. »Sie ist jung und noch ein bisschen übermütig. Was ist mit Moonlight?«
»Kann ich nicht auf dieser Stute reiten?« Maryam giggelte, da das Stutenfohlen seine Nüstern an ihrer Bluse rieb. »Sie mag mich.«
»Sie möchte einen kleinen Leckerbissen.« Ramses gab ihr eins von den Zuckerstücken, die er sich in der Küche besorgt hatte. »Das geht schon in Ordnung, Vater. Ich habe Melusine selbst eingeritten. Sie kann Nefrets Sattel nehmen.«
Der Stallbursche, der belustigt gelauscht hatte, half ihnen beim Satteln und Aufzäumen der jungen Stute, von Risha und von Emersons Hengst, denn Sethos wollte sich ihnen anschließen.
Er half dem Mädchen in den Sattel und gab ihr ganz nebenbei ein paar Ratschläge. »Lass die Zügel locker und entspann dich. Sie ist eine leichte Hand gewöhnt – stimmt’s, Ramses?«
Sie ließen die Pferde ein paar Mal auf und ab gehen, dann ritten sie zur Straße nach Kurna. Um diese Tageszeit war diese recht belebt, mit Fußgängern, Eseln und Karren. Maryam schrie entsetzt auf, als ein Kamel auf sie zusteuerte, sein langes Gesicht unsagbar hochmütig. »Lass die Zügel locker«, wies Ramses sie an. »Sie kennt Kamele und weicht ihnen aus. Du machst das sehr gut.«
Nachdem sie das Kamel glücklich hinter sich gelassen hatte, entkrampfte sich Maryam. »Das macht Spaß. Können wir nicht
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