Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms
Himmel, Daoud, das muss mächtig wehgetan haben. Warum bist du nicht schleunigst zu mir gekommen?«
»Ich habe doch die Heilsalbe aufgetragen«, verteidigte er sich.
Das sah man. Seine Handfläche war grün.
»Vermutlich hat das eine Infektion vereitelt.« Nefret nickte zu Kadija. »Jetzt wissen wir, warum der Besitzer es weggeworfen hat. Komm, ich sehe kurz nach, ob da nicht noch andere Splitter sind.«
Daoud saß da wie eine riesige bronzefarbene Statue, während sie die Schnittwunden säuberte, vernähte und ihm die Hand verband.
»Der Verband muss täglich gewechselt werden«, erklärte sie Kadija und drückte ihr Verbandmull in die Hand. »Aber dir brauche ich das gewiss nicht zu erzählen.«
»Nein, Nur Misur. Danke.«
»Wie fühlt man sich denn so, wieder im Arztkittel?«, erkundigte sich Ramses, als Nefret ihre Instrumente reinigte und einsortierte.
»Fabelhaft. Ich hätte nicht so lange warten sollen. Nisrin, bitte den nächsten Patienten herein.«
»Machst du das schon den ganzen Tag?«, erkundigte er sich. »Kann ich helfen?«
»Nein, danke. Wenn du etwas Sinnvolles tun willst, dann geh und spiel mit den Kindern.«
Also das ist mein Los, dachte Ramses im Stillen. Babysitter. Die Kinder spielten im Hof. Sein Auftauchen wurde von den anwesenden Erwachsenen mit befreitem Aufatmen, von seiner Tochter mit Begrüßungsjubel aufgenommen. Sie lief mit ausgebreiteten Ärmchen zu ihm, und er hob sie auf.
»Mama ist mit einem armen kranken Mann beschäftigt«, sagte er. Er nahm an, dass sie das wissen wollte.
Doch das war noch nicht alles; sie klammerte sich an sein Hemd und drückte ihm die Knie in den Brustkorb. Er kannte diese Geste. Er half ihr auf seine Schultern. »Höchste Zeit, dass du kommst«, seufzte Lia. »Wie üblich habt ihr Männer uns wieder die schwerste Arbeit aufgebrummt.«
»Ich nicht«, protestierte David. Er krabbelte auf Händen und Knien und ließ Evvie auf seinem Rücken reiten. »Alle außer dir.«
Die Frauen sahen aus, als hätten sie eine harte Zeit hinter sich. Lias Haar war wild zerzaust, und Evelyn lehnte an dem Sofarücken, die Augen halb geschlossen.
Sennia glänzte durch Abwesenheit. Er konnte ihr dies nicht verdenken; unfair zu erwarten, dass sie Kindermädchen spielte. Maryam hatte ebenfalls mitgeholfen. Sie schien weniger erschöpft als die anderen, vielleicht weil sie sich ganz auf Dolly konzentriert hatte. Er saß in ihre Armbeuge gekuschelt. Sie sah von dem Buch auf, aus dem sie ihm vorgelesen hatte, und lächelte zu Ramses.
»Wo sind die anderen?«, fragte er.
»Katherine war zum Mittagessen da«, antwortete seine Tante matt. »Sie hat sich eine Weile mit ihnen beschäftigt, ist dann aber wieder gegangen. Walter rätselt über seinem Papyrus, deine Mutter ist mit Sethos auf einer Beerdigung. Schätze, dein Vater ist immer noch bei seinen verfluchten Ausgrabungen.«
»Eine unverdiente Kritik.« Emerson trat aus dem Haus. »Ich bin entsetzt über deine Ausdrucksweise, meine liebe Evelyn.«
Er vergewisserte sich, dass die Tür fest geschlossen war, dann stellte er sich dem Angriff der Kinder. Charla war bei ihnen; sie warf sich auf den Boden, sobald ihr Großvater auftauchte. »Hattet ihr eine schöne Zeit?«, forschte er.
Evelyn deutete vorsichtig an: »Die Kinder waren sehr aktiv.«
»Sie wirken ein bisschen überdreht«, gestand Emerson nach einem Blick auf die Zwillinge, die seine Beine umklammerten, wobei Evvie versuchte, Charla wegzuschubsen. »Ihr habt sie zu lange eingesperrt. Kinder müssen herumtoben und wollen ständig auf Trab gehalten werden.«
Emerson brauchte weitaus weniger Ruhe als jeder andere normale Mensch. Seine blauen Augen blitzten, und er grinste breit. Er schien nicht zu merken, dass man ihn mit feindseligen Blicken torpedierte.
»Danke, dass du uns darauf hingewiesen hast, Emerson«, konterte seine Schwägerin. »Bestimmt hast du eine Idee.«
»Hmmm. Was haltet ihr von einem Eselritt?« Der Begeisterungssturm der Kinder fand bei den Erwachsenen keine Erwiderung. Diese Aktivität verlangte genauso viel Einsatz wie die nervtötende Beaufsichtigung. Allerdings scharte Emerson sie alle um sich, und es sollte gerade losgehen, als seine Frau und Sethos zurückkamen.
»Höchste Zeit, dass ihr hier mal helft«, rief Emerson den beiden zu. »Wo wart ihr so lange?«
»Ich war in der Praxis, wollte sehen, ob Nefret meine Hilfe braucht«, versetzte seine Gattin.
Sethos fixierte seine Tochter, die neben Evvie hertrottete und das Kind
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