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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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hinter sich zu.
    »Nicht dass Sie eine angemessene Dinner-Gesellschaft wären«, fuhr Justin nach einem kritischen Blick auf Nefret fort. »War das alles, was Sie tun konnten?«
    »Unter den gegebenen Umständen ja.« Nefret ging über den Affront der Frau hinweg. »Wenn Sie meine Anwesenheit stört, warum bin ich dann eigentlich hier?«
    »Aus zwei Gründen. Unser kleines Gespräch war noch nicht beendet. Ich finde es großartig, Ihre Reaktion zu beobachten. Sie haben so ein offenes, unkontrolliertes Gesicht. Und dann ist da einiges, das Sie noch nicht wissen.«
    »Und der andere Grund?« Sie drehte nicht den Kopf, um zum Fenster zu sehen. Die Vorhänge waren zugezogen, doch draußen, vom Deck her, drangen Geräusche ins Zimmer.
    »Ich will, dass Sie mit uns feiern«, versetzte Justin. Sie nahm die schwere Perücke ab und warf sie François hin. »Morgen – oder spätestens übermorgen – werden wir unsere Mission beenden. Die Vorbereitungen haben ein Jahr gedauert, aber das Warten hat sich gelohnt.«
    Impulsiv dachte Nefret an ihre nächsten Angehörigen – die Kinder, Ramses, ihre Schwiegermutter – und natürlich an Freunde und Verwandte, die genauso in der Klemme steckten wie Emerson und sie. Sie redete sich ein, dass es unmöglich sei, alle auf einmal auszulöschen. Aber einige freilich schon. Wen? Und wie?
    Unwillkürlich spähte sie zum Fenster. Irgendein schwerer Gegenstand war zu Boden gekracht, denn das Deck erzitterte; ein lautstarker arabischer Fluch schloss sich an, gefolgt von der gezischelten Aufforderung zu schweigen.
    Justin lachte affektiert und klatschte in die Hände. »Ihr Gesicht liest sich wie ein Buch. Warum fragen Sie nicht einfach, was die da draußen machen? Ich verrat’s Ihnen gern.«
    »Also was?«, murmelte Nefret.
    »Gegen Morgen wird die Isis ein völlig anderes Schiff sein – frisch gestrichen, neuer Name, andere Flagge.«
    Nefret nickte. »Schön und gut, aber wo sind wir hier?«
    »Auch das kann ich Ihnen enthüllen. Wir liegen neben einer Insel im Süden von Kena vor Anker.«
    Nur wenige Stunden flussabwärts von Luxor. Er war nur ein paar Stunden von ihr entfernt. Sie versuchte sich vorzustellen, was er – und die anderen – wohl machten, wie lange es gedauert haben mochte bis zu der Entdeckung, dass ihr – und Emerson – etwas zugestoßen sein musste. Da erinnerte sie sich an die selbstbewusste Äußerung ihrer Schwiegermutter: »Ich rechne nicht damit, dass ein solcher Fall eintritt«, worauf sie ein eisiger Schauer durchzuckte. Wenn man die beiden in diesem Dorf aufgegriffen hatte, würde Ramses vielleicht noch gar nichts von ihrem Verschwinden wissen.
    »Sie denken an ihn, was?«, säuselte Justin. »Das sehe ich Ihnen an. Soweit ich weiß, ist er nicht in Gefahr, Schätzchen, und ich bin sicher, er wird edelmütig zu Ihrer Rettung eilen. Aber machen Sie sich nicht zu viel Hoffnung. Sie werden uns auf dem Wasserweg verfolgen müssen, und wir haben einen entscheidenden Vorsprung. Es gehört schon einiges dazu, uns noch vor der Umsetzung unseres Plans aufzuspüren. Und selbst wenn, würden sie es nicht wagen, solange wir zwei Geiseln haben. Sollten Sie im Übrigen irgendwelche Dummheiten machen, wird der Professor dafür büßen.«
    »Ist er verletzt?«, fragte Nefret. »Kann ich ihn sehen?« Justins Mund verzog sich zu einem schmallippigen Lächeln, undeutbar wie das einer antiken Statue. »Sagen Sie ›bitte‹.«
    »Bitte.«
    »Später. Vielleicht. Er ist nicht ernsthaft verletzt, aber leider wenig kompromissbereit.«
    Bislang hatte Maryam sich weder gerührt noch einen Laut von sich gegeben; jetzt zuckte sie kaum merklich die schmalen Schultern.
    »Dann wird er also nicht mit uns essen«, sagte Nefret. Die Häme in Justins Stimme verfehlte ihre Wirkung nicht, gleichwohl versuchte sie, dies zu übergehen. »Wer ist der vierte? Jemand, den ich kenne?«
    »Ja und nein«, erwiderte Justin. »Ich frage mich, wo sie nur bleibt. Wartet vermutlich auf ihren großen Auftritt. François, geh und sag ihr … Na endlich!« Eine große, hagere Frau betrat den Raum. Das faltige Gesicht und die silbergrauen Haare deuteten auf ihr fortgeschrittenes Alter, gleichwohl waren ihre Schultern gestrafft, ihr Schritt fest. Sie hatte den Witwenschleier abgelegt; ihr schwarzes Kleid war schlicht und ohne jeden Schmuck.
    Justin schob ihren Stuhl zurück und erhob sich, zögernd folgte Maryam ihrem Beispiel. Nefret wusste sehr wohl, dass man aufstand, wenn eine ältere Dame den Raum betrat.

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