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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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zerbrochenen Ostraka waren statt Inschriften gelegentlich auch Zeichnungen eingeritzt. Einmal glückte es mir, eine Scherbe sicherzustellen, ehe Sennia sie entdeckte. Später gab ich sie Ramses. »Danke, Mutter«, sagte er. »Ist das … Oh. Guter Gott.
    Hat Sennia sie gesehen?«
    »Nein, ich habe sie gebeten, Emerson zu helfen. Meines Wissens hast du ihr erlaubt, Scherben zusammenzufügen; ich kann nur hoffen, dass sie nicht auf Ähnliches gestoßen ist.«
    »Ich auch«, murmelte Ramses, das Fragment an den Rändern festhaltend. »Aber ich glaube nicht, Mutter. Wie ich Sennia kenne, hätte sie mir Derartiges gezeigt und mich mit Fragen gelöchert. Ich werde mir die anderen noch einmal genauer ansehen, bevor ich sie daran arbei ten lasse.«
    »Dies ist ein Teil von einem größeren Stück. Siehst du, dort unten, wo dieses Glied …«
    »Ja«, sagte Ramses rasch. Er war peinlich berührt, nicht wegen der Zeichnung als solcher, sondern weil ich freimütig darüber redete. Junge Menschen akzeptieren einfach nicht, dass ihre Eltern – vor allem ihre Mütter – mit den Mechanismen des menschlichen Körpers vertraut sind.
    »Das erinnert mich«, fuhr ich fort, »an die Zeichnungen auf jenem Papyrus im Turiner Museum.«
    »Wie zum Teufel …« Ramses wäre fast die Tonscherbe entglitten. »Entschuldigung, Mutter. Wieso konntest du ihn dir anschauen? Frauen ist es nicht gestattet …«
    »Habe ich mich jemals von irgendwelchen albernen Konventionen abschrecken lassen? Es ist zwar nicht bewiesen, aber es kann gut sein, dass dieser Papyrus zu Beginn des vorigen Jahrhunderts hier in Deir el-Medina gefunden wurde. Die Dorfbewohner scheinen ein – äh – lebensfrohes Völkchen gewesen zu sein.«
    »Mag sein«, sagte Ramses errötend. »Wenn du mich bitte entschuldigst, Mutter …«
    »Warte. Ich möchte noch eine andere Sache mit dir besprechen.«
    Widerstrebend hockte Ramses sich auf den Boden.
    Zweifellos würde er das nun folgende Thema noch peinlicher finden, doch wenn ich meinen Sohn richtig einschätzte, schwante es ihm bereits. Ich kam direkt zur Sache.
    »Das Wiederauftauchen von Maryam wirft ein völlig neues Licht auf das Ereignis mit der verschleierten Hathor und stützt eine unserer Theorien. Sie war nicht auf meiner Liste …«
    »Liste?« Er biss die Kiefer aufeinander, seine Lider wurden schmal. »Was für eine Liste, Mutter? Das darf doch nicht wahr sein!«
    »Die Liste war ein unverzichtbarer Bestandteil meiner kriminalistischen Ermittlungen.«
    Ramses schob seinen Helm zurück und bedeckte sein tiefrotes Gesicht mit den Händen. »Vermutlich hast du dich mit Nefret ausgetauscht«, murmelte er hinter zusammengepressten Fingern.
    »Mein lieber Junge, wie kannst du so etwas von mir denken? Ich habe gewartet, bis wir unter vier Augen sind, bevor ich das Thema anschneide. Und außerdem«, fuhr ich fort, »kannst du dir die falsche Bescheidenheit sparen.
    Emerson wird gleich nach dir rufen. Maryam, oder Molly, meinte, in dich verliebt zu sein …«
    »Um Himmels willen, Mutter, sie war erst vierzehn. Es war eine Jungmädchenschwärmerei, mehr nicht.« Ich musste ihn nicht daran erinnern, was sie getan hatte; er hatte das Bild vermutlich ebenso deutlich vor Augen wie ich: allein mit ihm in seinem Zimmer, ihr heruntergestreiftes Kleid enthüllte knospende, aber durchaus weibliche Formen. Was diesem Augenblick vorausgegangen war, brauchte ich gar nicht erst zu fragen. Sie war die Provokateurin gewesen, und er hatte mich umgehend gerufen.
    »Wie dem auch sei, vielleicht glaubte sie sich von dir zurückgewiesen«, sann ich laut. »Vierzehn ist ein schwieriges Alter, da ergeht man sich in Melodramatischem und Rachegelüsten.«
    »Aber doch nicht vier Jahre lang!« Ramses wischte sich mit seinem Hemdsärmel die schwitzende Stirn. »Gab es noch andere, die dir vielleicht eins auswischen wollen?«
    Statt zu protestieren, zog er hilflos die Schultern hoch. »Wie zum Teufel soll ich wissen, was eine Frau fühlt … Aber, na ja, Mutter, wenn du darauf beharrst. Da war diese Dolly Bellingham. Dass ich ihren Vater getötet ha be, spricht nicht unbedingt für mich.«
    »Das war Notwehr«, versetzte ich. »Natürlich habe ich auch an sie gedacht …«
    »Natürlich«, seufzte Ramses.
    »Aber sie war ein dermaßen egozentrisches kleines Biest, sie hat überhaupt nichts für ihren Vater empfunden. Und leicht zu beeinflussen, findest du nicht?«
    »Korrekt.« Widerwillig grinste Ramses. »Vermutlich hat sie seither ein Dutzend

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