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Amelia Peabody 17: Die Schlangenkrone

Titel: Amelia Peabody 17: Die Schlangenkrone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Gipsabdruck.«
    »Das wird die ganze Nacht in Anspruch nehmen«, protestierte ich.
    »Und wenn schon«, brummte Emerson.

    Es nahm fast die gesamte Nacht in Anspruch, denn Emerson gab sich erst zufrieden, als das Objekt von allen Seiten fotografiert war und detaillierte Aufzeichnungen vorlagen. Bei genauerer Untersuchung wies das Artefakt kleinere Schönheitsfehler auf. Ein Finger war abgebrochen. Die lange gestickte Schärpe und der weite Kragen waren wohl ursprünglich mit winzigen Glas- oder Edelsteinen besetzt gewesen, die überwiegend herausgebrochen schienen. In der blauen Krone klaffte ein winziger Spalt, mitten über der Stirn. Hier hatte die Uräusschlange, ein uraltes Königssymbol, das Herrscherhaupt geschmückt. Vermutlich war diese Einlegearbeit herausgefallen.
    »Der arme kleine König«, seufzte ich. »Ohne die aufbäumende Schlange auf seiner Stirn war er hilflos gegen die Demütigung, in gierige Hände zu fallen, und den entweihenden Blicken der Sterblichen preisgegeben.«
    Der einzige, der auf diesen poetischen Erguß reagierte, war Emerson. »Red keinen Unsinn, Peabody.«
    Nach dem Aufbruch der Vandergelts zogen sich Ramses und Nefret in ihr Haus zurück. Emerson schlief auf der Stelle ein. Ich setzte mich wie jeden Abend an meinen Toilettentisch und bearbeitete mein Haar mit den obligatorischen einhundert Bürstenstrichen. Die brennenden Kerzen zu beiden Seiten des Spiegels verliehen meinem Gesicht etwas geisterhaft Ätherisches, während meine Gedanken abschweiften.
    Wegen der unvorhergesehenen Ereignisse an diesem Abend hatten wir eine ernsthafte Diskussion über unsere künftigen Pläne hinausschieben müssen. In früheren Jahren hatte Cyrus sich mit uns das Gelände des Arbeiterdorfs bei Deir el-Medina geteilt; während wir das Dorf selbst freilegten, widmeten sich Cyrus und Bertie den Gräbern auf den Anhöhen. In diesem Jahr fehlte es uns jedoch an Personal, eine Tatsache, die mein halsstarriger, egozentrischer Ehemann einfach nicht wahrhaben mochte.
    Bislang hatten uns Freunde und Verwandte bei unseren archäologischen Missionen assistiert. Selim war der Sohn und Nachfolger unseres geschätzten Reis Abdullah, und die jüngeren Mitglieder seiner Familie rückten in die Positionen nach, die durch Tod und Alter frei wurden. David, Abdullahs Enkel, hatte eine glanzvolle Laufbahn als Zeichner und Illustrator eingeschlagen. Er und seine Frau Lia, Emersons Nichte, hatten mittlerweile jedoch vier Kinder. Verständlich, daß Lia demzufolge ihre Karriere als archäologische Assistentin aufgab. Ihr Vater war Philologe, hatte aber für uns als Exkavator gearbeitet, bis ihm das entbehrungsreiche Leben eines Feldarchäologen irgendwann zuviel wurde. Seine Frau Evelyn, eine begnadete Zeichnerin, ging in ihrer Großmutterrolle förmlich auf.
    Blieben uns noch Nefret und Ramses, die sich bisher nie beklagt hatten; allerdings konnte ich mir durchaus vorstellen, daß sie sich mehr Freiräume und weniger diktatorische Kontrolle durch Emerson wünschten. Nefret hatte eine Praxis in Luxor eröffnet, ich vermutete jedoch, daß sie sich heimlich danach sehnte, wieder als Fachärztin tätig zu werden, wie in Kairo, wo sie vor Jahren eine spezielle Frauenklinik gegründet hatte. Die Kinder brauchten irgendwann Schulen, Ramses interessierte sich auch noch für andere Bereiche der Ägyptologie … Kurzum, ich kam zu dem Schluß, daß wir unsere Lieben ihrer Wege ziehen lassen und einen neuen Mitarbeiterstab anwerben müßten. Wie ich das Emerson ohne ausufernde Verbalschlachten beibringen sollte, war mir schleierhaft. Im Grunde genommen freute ich mich auf einen konstruktiven Krach. Emerson ist göttlich, wenn er wütend ist – und ich hatte noch immer meinen Standpunkt durchgesetzt.
    Ein Windhauch ließ die Kerzenflamme erzittern. Ich beugte mich vor, um mich genauer zu betrachten. War das etwa …
    Es war. Sie schienen zunehmend zahlreicher zu werden, die silbrigen Fäden in meinem Haar. Auch in diesem Punkt würde ich nicht kapitulieren. Nach einem prüfenden Blick über die Schulter – Emerson schlief tief und fest – griff ich zu dem Fläschchen mit der Haarfärbetinktur.
Aus Manuskript H
    Die Kinder wachten in aller Frühe auf. Durch ihre schrillen Piepsstimmen aus dem Tiefschlaf gerissen, zog Ramses sich stöhnend die Bettdecke über den Kopf. Er hatte höchstens zwei Stunden Schlaf bekommen.
    Die Decke half aber nicht. Er schlug sie zurück, rollte sich auf die Seite und betrachtete seine schlafende Frau.

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