Amelia Peabody 17: Die Schlangenkrone
wirkungsvoll. Lidmann hob die geballten Fäuste und ließ sie auf die Brust sinken. »Ich war am Fenster. Ich machte mir Sorgen wegen der Kinder. Ich bin hinausgegangen und sah es auf ihr Haus zulaufen. Ich hab es gepackt und dann … kann ich mich an nichts mehr erinnern.«
»Hölle und Verdammnis«, zischte Emerson. » Es ?« Etwas Dunkles schimmerte in Lidmanns fest zusammengepreßter Hand. Als Ramses ihm behutsam die Finger auseinanderbog, sah er auf einen zerknitterten schwarzen Stofffetzen.
5. Kapitel
Aus Manuskript H (Fortsetzung)
Sie fanden Amira in der Dunkelheit, da sie geräuschvoll schnarchte. Die Hündin lag etwas abseits von dem Gartenweg und ließ sich weder durch Schütteln noch durch Anbrüllen aufwecken, vermutlich, weil man ihr ein Schlafmittel verabreicht hatte. Nefret verordnete dem schlotternden, kreidebleichen Lidmann die gleiche Therapie und begleitete ihn in sein Zimmer, während die anderen zum Haupthaus zurückschlenderten.
»Geht ihr eigentlich nie schlafen?« seufzte Sethos theatralisch und verbarg ein Gähnen hinter der hohlen Hand. Ramses bemerkte, daß er trotz der späten Stunde tadellos gekleidet war.
Emerson, der Schlafanzüge für neumodischen Firlefanz hielt, hatte eine Hose über sein Nachthemd gestreift. Statt einer Antwort auf diese eher rhetorische Frage sagte er: »An dieser Geschichte ist was faul. Irgend jemand hat versucht, ins Haus einzudringen. Das hat mich geweckt.« Er spähte zu seiner Frau, die sich eine Äußerung geflissentlich versagte. »Ähm … na ja, offen gestanden ist Peabody wach geworden. Immerhin besaß sie soviel Grips, mich zu wecken, bevor sie hinausstürmte.«
»Offen gestanden«, berichtigte sie ihn, »war Sethos als erster wach.«
Sämtliche Blicke wanderten zu Sethos, der wie hingegossen auf der Ottomane lag. »Ich hab noch gar nicht geschlafen«, gestand er.
»Und wieso nicht?« wollte Ramses wissen.
»Ich hab draußen im Hof gesessen und geraucht und Ali Yussufs monotonem Schnarchen gelauscht«, erklärte sein Onkel. »An eurer Stelle würde ich mich nicht darauf verlassen, daß er einen rechtzeitig warnt. Der junge Kerl wächst noch und braucht seinen Schlaf. Dummerweise kam der Einbrecher – ich verabscheue die abgedroschene Phrase ›der schwarze Mann oder Dämon oder wer auch immer‹ – von der Vorderseite um die Ecke der Veranda. Als er mich hörte, zog er sich hastig zurück. Er hatte die Blendentür verriegelt, deshalb mußte ich durchs Haus zurückgehen, und dabei habe ich Amelia aufgeweckt.«
»Wie lange hast du dafür gebraucht?« bohrte Ramses.
»Nicht so lange, daß er zu eurem Haus zurückkehren, ins Fenster starren, Lidmann wecken und dann in dieser Richtung verschwinden konnte«, sagte Sethos.
»Wenn es Lidmann war, warum ist er dann nicht einfach wieder in sein Zimmer gegangen? Ihm blieb doch ausreichend Zeit, oder?« sinnierte Ramses.
»Damit hätte er aber riskiert, vorher noch mit dir zusammenzutreffen«, meinte Emerson. »Es war unverfänglicher für ihn, den Ohnmächtigen zu spielen und uns irgendeine wilde Geschichte aufzutischen.«
»Und der schwarze Stoffetzen in seiner Hand?«
»Vorher präpariert«, meinte Emerson. »Für den Fall, daß man ihn schnappte.«
»Was ist mit dem Hund?« Ramses ließ nicht locker.
»Lidmann hätte sich am Nachmittag stundenlang aus Nefrets Arzneimittelschrank bedienen können, und er bekam ein herzhaftes Abendessen«, erklärte Sethos. »Lammbraten, nicht wahr? Damit hat er Amira geködert.«
»Klingt zwar plausibel, eignet sich aber keinesfalls als Beweis«, sagte Ramses. »Wir können ihn doch nicht aufgrund von Verdachtsmomenten anzeigen.«
»Du bist viel zu vertrauensselig«, schnaubte Sethos. »Wer ist der Bursche überhaupt? Hat denn irgendeiner von uns geprüft, ob seine Geschichte wahr ist? Amelia, du enttäuschst mich.«
»Ramses kannte seinen Namen. Aber du hast recht, wir sollten der Sache auf den Grund gehen. Du kümmerst dich darum, ja Emerson?«
Mr. Lidmann kam pünktlich mit Ramses und Nefret zum Frühstück und wirkte genauso unverdächtig wie alle anderen. Er versicherte uns, daß er wieder genesen sei, was sein morgendlicher Appetit bewies. Zwischen zwei Bissen fing er immer wieder von seinem gräßlichen Erlebnis mit dem Phantomwesen an.
»Ich versichere Ihnen, als ich es packte, fühlte ich nichts als den Stoff«, sagte er mit weit aufgerissenen Augen. »Es war, als wäre es völlig materielos. Ich konnte es nicht festhalten, obwohl ich große
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