Amelia Peabody 17: Die Schlangenkrone
er streng hinzu.
Wasim fuchtelte mit der uralten Flinte herum. »Wenn du es sagst, Bruder der Dämonen. Aber ich bin ein armer Mann, und es kommen immer weniger Besucher.«
Katschenowsky tauchte ein paar Stunden später auf. Er wirkte noch ausgezehrter als sonst, strahlte jedoch übers ganze Gesicht, nachdem Ramses ihm die Position anbot.
»Das hatte ich so gehofft!« rief er. »Aber ich hätte nie gewagt, Sie darauf anzusprechen.«
Ramses führte den Russen in sein Arbeitszimmer und legte ihm die Prioritäten dar. »Als erstes muß das Material, das wir in Deir el-Medina gefunden haben, entsprechend archiviert und präpariert werden. Sie wissen ja selbst, wie schnell ein Papyrus an der Luft zerfällt.«
Ramses demonstrierte die von ihm angewendeten Methoden, die der Russe in Null Komma nichts beherrschte. Sie arbeiteten schweigend und effizient, bis Fatima den Kopf ins Zimmer steckte und ankündigte, daß sie in Kürze den Tee servieren werde.
»Sie bleiben doch hoffentlich?« erkundigte sich Ramses.
»Sind die reizenden Kinder auch dabei? Ich liebe Kinder.«
»Oh ja, die Teezeit verpassen sie nie.«
Carla und David John, die eben noch heftig gestritten hatten, blickten auf und lächelten wie zwei Unschuldslämmer, als die beiden Männer die Veranda betraten.
»Guten Tag, Mr. Katschenowsky.« Carla umarmte ihren Vater. »Dürfen wir jetzt unseren Tee haben, Papa?« fuhr sie fort, ihre kleine Stirn immer noch zornesumwölkt.
»Erst wenn alle hier sind.«
»Sind sie doch. Großmama sagte, sie müßten sich nur noch vorher waschen.«
Sie lehnte sich an Katschenowskys Stuhl und berichtete ihm von Amira, lief aber sogleich zu Emerson, als der aus dem Haus trat.
»Dürfen wir jetzt unseren Tee haben, Großpapa?«
»Ja, ja, von mir aus.« Emerson strich sich die noch feuchten Haare aus der Stirn. »Ah – hallo – ähm – Krawatsky. Kommt ihr gut voran, mein Junge?«
Da sein Vater wie üblich nur aus Höflichkeit gefragt hatte, antwortete Ramses knapp: »Michail ist mir eine große Hilfe. Und wie war dein Tag, Vater?«
»Ganz hervorragend. Wir haben den Eingang und die Stufen vom Schutt befreit.« Er zündete seine Pfeife an. »Ab jetzt müssen wir umsichtig vorgehen; im Korridor scheinen einige Bruchstücke von dem vergoldeten Schrein herumzuliegen. Du weißt doch noch, daß Davis ihn zurückließ, als er das Grab 1907 schloß. Trotz meiner heftigen Proteste!« setzte er stirnrunzelnd hinzu.
»Ich dachte, Weigall hätte den Schrein im Jahr darauf geborgen«, sagte Ramses.
»Hinter meinem Rücken«, knurrte Emerson.
Und geschickt eingefädelt, überlegte Ramses. Sie selbst waren zu dem Zeitpunkt weit draußen in der westlichen Wüste gewesen. Emersons Schimpftirade – »keine Ahnung, was der mit dem verdammten Ding gemacht hat, im Museum steht es jedenfalls nicht, vermutlich zerbrach es in tausend Stücke, als er es herausholte« – wurde von Nefret und seiner Mutter unterbrochen. Sethos stieß als letzter zu ihnen.
»Ich mußte mir noch die Haare trocknen«, sagte er überflüssigerweise.
Während Fatima den Tee servierte, redeten alle durcheinander, untermalt von den schrillen Stimmchen der Kinder. Ramses lächelte entschuldigend zu dem Russen. »Tut mir leid, aber bei uns ist es immer so chaotisch.«
Katschenowsky riß sich aus seinen brütenden Gedanken. »Ich finde es schön. So eine große, reizende Familie.«
Emerson fuhr mit seiner Schmährede auf andere Archäologen fort, allen voran Theodore Davis und dessen exkavatorische Brachialmethoden. Unvermittelt wandte er sich an Katschenowsky, seinen neuen Zuhörer.
»Sind Sie über die Exkavation von KV 55 im Bilde?«
»Nein, Sir«, erwiderte der Russe zögernd.
»Eine Blamage von Anfang bis Ende«, erklärte Emerson. »Das fragliche Grab enthielt die Fragmente eines vergoldeten Schreins, den Echnaton für seine Mutter, Königin Teje, anfertigen ließ, und einen zerstörten Sarg, in dem die schlecht erhaltene Mumie eines Individuums lag. Davis behauptete natürlich prompt, das sei die Königin. Es stellte sich jedoch heraus, daß es das Skelett eines jungen Mannes war – zu jung, wenn Sie mich fragen, als daß es Echnaton sein könnte. Der Schrein wurde zerlegt, vermutlich für eine spätere Bergung, die königlichen Kartuschen und anderes Dekor herausgeschnitten. Trotzdem waren die Einzelteile zu sperrig für einen Transport durch den teilweise blockierten Gang. Also ließen sie die Teile einfach auf dem Geröll liegen oder lehnten sie
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