Amelia Peabody 17: Die Schlangenkrone
leichten Aufgabe zur Hand gehen?«
Emerson verdrehte die Augen. »Typisch Peabody, kann es kaum abwarten, in anderer Leute Schränken herumzuwühlen.«
»Ich bin Mrs. Emerson dankbar für ihre Unterstützung«, versetzte Miss Petherick. »Aber bitte, Mrs. Emerson, trinken Sie erst in Ruhe Ihren Kaffee und nehmen Sie ein Gurkensandwich.«
»Dann werden Sie Luxor in Kürze verlassen?« fragte Nefret, während ich in das Sandwich biß.
Miss Pethericks Lippen verzogen sich zu einem sauersü ßen Lächeln. »Captain Rayburn hat uns informiert, daß wir Ägypten erst verlassen dürfen, wenn der Mord an unserer Stiefmutter aufgeklärt ist.«
Adrian beugte sich vor. Er hatte die Finger so fest ineinander verschränkt, daß die Knöchel weiß hervortraten. »Wir schulden es Magda und unserem Vater, Harriet. Er hat sie geliebt«, räumte er mit glasigen Augen ein. »Er liebte es, mit einer Berühmtheit verheiratet zu sein«, gab Miss Petherick zurück.
»Sie hat ihn glücklich gemacht«, echauffierte sich Adrian.
»Wir müssen auf alle Fälle bleiben, bis der Mörder seiner gerechten Strafe zugeführt wird.«
»Ganz meine Meinung.« Sethos nickte bekräftigend.
»Hatte sie Feinde?«
»In Schriftstellerkreisen, meinen Sie?« Miss Pethericks Lächeln enthüllte ihre Zähne. »Oder einen treuen Leser, dem ihr letztes Buch nicht gefallen hat? Wir haben der Polizei bereits mitgeteilt, daß wir niemanden kennen, der ein Motiv hätte haben können.«
»Geld, Rache, Angst«, streute Emerson ein. »Das sind die üblichen Mordmotive. Sie kannten sie noch nicht sehr lange.
Womöglich hat sie den Ruf irgendeines Kollegen angekratzt oder in der Vergangenheit irgend jemanden tödlich beleidigt?«
»Uns ist nichts dergleichen bekannt«, betonte Miss Petherick.
Sie war eine würdige Gegnerin, und Emersons Miene spiegelte eine gewisse Bewunderung. Er schätzte charakterstarke Frauen, die nicht »gleich heulend zusammenbrechen«, wie er es irgendwann einmal formuliert hatte. Sie wirkte nicht unattraktiv in ihrem eleganten schwarzen Kostüm, das dichte schwarze Haar zu einem schweren Knoten frisiert, ihre Wangen rosig überhaucht. Die Hand, mit der sie die Teetasse hielt, verriet nicht das kleinste Zittern. »Im übrigen, Professor Emerson«, fuhr sie fort, »bringt es uns nichts, Hypothesen aufzustellen. Das Motiv ist doch eindeutig. Mein Vater hat unsere Stiefmutter als Alleinerbin eingesetzt. Und seine Sammlung ist ein Vermögen wert.«
»Wer sind ihre Erben?« erkundigte sich Emerson. »Das ist mir ebenfalls nicht bekannt. Falls sie ein Testament gemacht hat, ist es wahrscheinlich bei ihren Notaren hinterlegt. Ich weiß nur eins, Professor. Sie hat ihren Besitz weder Adrian noch mir hinterlassen.«
»Bei unserem ersten Zusammentreffen erklärten Sie mir einhellig, daß Sie sie sehr mochten«, konterte Emerson. »Ich habe aber nie behauptet, daß sie uns mochte«, erwiderte Miss Petherick ungerührt. »Wir beide kamen miteinander zurecht. Jedenfalls gab es keine Animositäten, und Adrians Zuneigung zu ihr war echt. Noch weitere Fragen, Professor?«
»Im Moment nicht«, räumte Emerson ein.
»Mrs. Emerson?«
»Nach meinem Dafürhalten, Miss Petherick, sollten wir die vor Ihnen liegende Aufgabe rasch hinter uns bringen.« Miss Pethericks skeptischer Gesichtsausdruck zeigte deutlich, daß sie ihr Angebot am liebsten zurückgezogen hätte, aber ich ließ mich natürlich nicht abwimmeln. Die anderen gingen, ich krempelte mental die Ärmel hoch und ging ins Schlafzimmer. Miss Petherick folgte mir.
Der Raum war ein einziges Chaos. Statt methodisch vorzugehen, hatte sie sämtliche Kleidungsstücke aus dem Schrank gezerrt und wahllos über Stühle und Tische geworfen. Schubladen lagen umgestülpt auf dem Bett. Was mochte dieses hastige, unüberlegte Vorgehen bedeuten? Hatte sie mehr für ihre Stiefmutter empfunden, als sie zugab, und empfand sie den Anblick ihrer Habe demnach als zu schmerzvoll? Oder hatte sie sie dermaßen gehaßt, daß sie jede Erinnerung an die Verstorbene schleunigst auszumerzen gedachte? Nach einem gehauchten »Ach du meine Güte, wie sieht es denn hier aus«, begann ich, Kleider und Unterwä sche zu falten und zu ordentlichen Stapeln aufzuschichten.
Strümpfe, Schuhe, Taschentücher und Schals verschwanden in einem Schubfach. Alles verströmte den Duft eines schweren Parfüms. Miss Petherick sah mir untätig, mit hängenden Armen zu.
»Ich kenne einige Damen, die sich über die Kleider freuen werden«,
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