Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
überhaupt?«
»Ich hab ihn nicht danach gefragt«, meinte der Professor.
»Er reist am zweiten Weihnachtstag wieder ab«, sagte Nefret. »Demnach werden wir nicht mehr das Vergnügen seiner Gesellschaft haben.«
»Doch, morgen Abend bei Cyrus«, versetzte ich. »Allerdings sind dort so viele Leute, dass er uns hoffentlich erspart bleibt.«
Margaret war sehr einsilbig gewesen. Sie hatte sich in eine stille Ecke zurückgezogen und schrieb eifrig in ihr Notizbuch. Da nichts Berichtenswertes passiert war (Sir Williams Affront war leider nichts Ungewöhnliches), nahm ich an, sie würde sich Stichpunkte zu den Artefakten notieren, die Rex beschrieben hatte.
»Singt ihr jetzt noch ein paar Lieder?«, fragte Daoud. Er liebte jede Art von Musik und das Pianoforte hatte es ihm angetan.
»Nefret sieht müde aus«, sagte ich. »Und Sennia ist schon zu Bett gegangen. Du spielst doch nicht, oder, Margaret?«
»Sie spielt sehr gut«, drang eine Stimme von der Tür her. »Aber es ist gegen ihre Prinzipien, weibliche Tugenden zu demonstrieren.«
Margarets Stift schabte unbeirrt über das Papier. »Wie lange stehst du schon da?«, wollte ich wissen.
»Eine ganze Weile. Ich hab gelauscht, was dagegen?«, erklärte Sethos. »Ich wollte Sennia noch eine gute Nacht wünschen. Und, Margaret? Du wirst Daoud doch nicht enttäuschen, hm?«
Ihr Blick glitt von Sethos zu Daoud. Der erhob sich eilends. »Nein, nein, keine Ursache. Ich muss jetzt gehen.«
Und das tat er nach einem hastigen, aber herzlichen Lebewohl. Margaret schloss ihr Notizbuch. Der rote Schal hing ihr schlaff um den Hals, als hätte sie daran herumgezerrt. »Wie sieht’s aus, O’Connell?«
»Seid doch nicht so ungesellig«, rief Sethos. »Kommt, trinkt noch einen Whisky mit.«
»Na gut, eh’ ich mich schlagen lass«, meinte Kevin mit leicht schleppender Stimme.
Margaret schnappte sich ihren Umhang. »Danke für einen bezaubernden Abend«, schnaubte sie und stapfte aus dem Zimmer.
»Begleiten Sie sie nicht zurück ins Hotel?«, fragte ich Kevin.
»Nicht nötig, nicht nötig, Mrs Emerson. Die Droschke, die wir uns gemietet hatten, wartet draußen. Ich gehe jede Wette ein, dass Miss Minton sie nimmt und mich hier sitzen lässt.«
Ich wandte mich zu meinem Sohn und stellte fest, dass er wohl mit hinausgegangen war. Er kehrte kurz darauf zurück und berichtete, dass Margaret tatsächlich in eine wartende Kutsche eingestiegen und losgefahren sei.
Nefret räumte ein, sie sei müde – verständlich nach einem solchen Tag – und Ramses schloss sich ihr an. Wir anderen gingen zum gemütlichen Teil des Abends über. Emerson bestand darauf, ein Lied anzustimmen, und sang sehr laut und sehr falsch. Kevin und Sethos schlossen sich den Gesangsdarbietungen an. Gemeinsam lobpreisten wir die Geburt des Herrn, bevor wir Kevin zur Tür bugsierten. Unter dem Vorwand, die frische Luft täte ihm gut, lehnte er Emersons Angebot ab, ihn mit dem Automobil zum Fluss zu bringen. Dann stampfte er davon, kaum merklich schwankend, während wir ihm »Fröhliche Weihnachten« nachbrüllten, denn an diesem besonderen Tag wollten wir Barmherzigkeit üben und Kevin seine sämtlichen Missetaten verzeihen.
Ich streite nicht ab, dass der Whisky unsere mentale Befindlichkeit beeinflusste.
Emerson trinkt nur selten einen über den Durst, aber wenn, dann ist er am nächsten Morgen ein anhänglicher Brummbär, der Wärme und Zuneigung braucht (während er vehement leugnet, zu viel getrunken zu haben, versteht sich!).
»Sethos hat mich mit seiner vermaledeiten Erkältung angesteckt«, beteuerte er.
»Ich hab dich noch kein einziges Mal niesen gehört«, gab ich zurück. »Eine kalte Dusche und ein paar Aspirin machen dich wieder fit. Reiß dich zusammen. Die Kinder frühstücken mit uns zusammen.«
Gekränkt, dass ich seine Wunden nicht leckte, befolgte er meinen Rat, und als wir uns schließlich um den Baum und die restlichen Geschenke versammelten, war er wieder fast der Alte. Sethos nahm sich ebenfalls zusammen, obwohl er bei jedem Kreischen der Kinder schmerzvoll zusammenzuckte.
»Das Schlimmste hast du wohl überstanden«, meinte ich zu ihm. »Was macht dein Kopf?«
»Fatima hat mir Aspirin gegeben.« Wehleidig presste er die Fingerspitzen an die Schläfen.
In den vergangenen Wochen waren mehrere Pakete aus England angekommen; die hatten wir für den Weihnachtsmorgen aufgespart, wohlwissend, dass die meisten Geschenke für die Zwillinge sein würden. Keiner außer der lieben Evelyn
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