Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
bedachte Emerson. Freudestrahlend öffnete er ihr Päckchen, ein Paar Handschuhe, die er behutsam beiseite legte. Er hatte keine mehr, da er sie dauernd verlor, und ich gab diesen auch nicht lange.
Auf meinen Vorschlag hin hatten die Tanten, Onkel und Cousins Bücher für David John gekauft. Ich hoffte, mit diesem Vorrat würde er eine Weile auskommen, zumal es schwierig war, in Luxor englische Kinderbücher zu bekommen. Manche hatte er allerdings schon, andere waren noch zu kompliziert für ihn. Ich legte David John jedoch ans Herz, sich entsprechend zu freuen und die doppelten nicht zu erwähnen.
Traditionell bestand ich darauf, dass die Zwillinge gleich nach dem Erhalt der Geschenke Dankesbriefe schrieben. Das gehört sich einfach so. Und hatte den nicht zu unterschätzenden Nebeneffekt, dass sie sich dafür auf einen Stuhl und an einen Tisch setzen mussten, was ihren Bewegungsdrang vorübergehend zügelte.
Nach Fatimas ausgedehntem, verspätetem Frühstück gönnten wir uns alle ein bisschen Ruhe. Dann wurde es schon wieder Zeit, sich für Cyrus’ Abendgesellschaft schick zu machen. Dummerweise war es Emerson und Selim geglückt, das Automobil wieder fahrtüchtig zu machen. Gottlob passten wir nicht alle in das Vehikel. Nefret, Fatima und ich stiegen in Cyrus’ Kutsche. Ich wollte weder, dass das Automobil vor uns herfuhr und uns in eine Staubwolke hüllte, noch, dass es uns folgte, da Emerson und Selim uns womöglich im Geschwindigkeitsrausch gerammt hätten. Nach längerem Für und Wider entschieden sie sich für die Pferde. Selim war ein hervorragender Reiter und Emerson heilfroh, dass er Reitgarderobe tragen durfte.
Wir gehörten zu den letzten Gästen (dank der Diskussion um das Automobil). In Cyrus’ riesigem Salon scharten sich elegant gekleidete Menschen. Das vornehme Schwarz und Weiß der Herren wurde von den leuchtend bunten Abendkleidern der Damen aufgelockert wie auch von den eleganten Roben der ägyptischen Gäste. Sir William stand am Büfett, ein Glas Champagner in der Hand, und plauderte (glucksend zweifellos) mit einem Gentleman, den ich nicht kannte.
»Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, Amelia«, sagte Cyrus, der meinen Blick auffing. »Hatte gestern Abend keine Gelegenheit mehr dazu.«
»Um Himmels willen, Cyrus! Sie konnten schließlich nichts dafür.«
»Sie haben Sennia nicht mitgebracht.«
»Ich hielt das für besser.«
»Ich mach es wieder gut bei ihr«, versetzte der Amerikaner heftig. »Mit einem verspäteten Weihnachtsgeschenk oder so. Was möchte sie denn haben?«
»Nur Ihre Sympathien, werter Cyrus. Und sie weiß, dass ihr die sicher sind.«
An diesem Punkt trat Emerson zu uns. Obwohl er auf den obligatorischen Abendanzug verzichtet hatte, machte er eine gute Figur in Stiefeln und Reithose und maßgeschneidertem Tweedsakko. Das bewiesen nicht zuletzt die Blicke etlicher Damen, die bewundernd an ihm klebten. »Ich habe es satt, einen höflichen Umgang mit diesem unsäglichen Portmanteau zu pflegen«, tat er kund. »Wie lange müssen wir uns eigentlich noch mit dem abgeben?«
»Schrei doch nicht so.« Ich versetzte Emerson einen kleinen Knuff. »Soweit ich informiert bin, reist er morgen ab.«
»Den Gefallen tut er uns leider nicht«, meinte Cyrus. »Er will noch ein paar Tage dranhängen. Aber er wird uns nicht weiter behelligen, da er mit Suzanne nach Abydos und Dendera fährt. Gut möglich, dass er sie überreden möchte, mit ihm nach England zurückzukehren.«
»Das kann sie nicht machen«, sagte ich entschieden. »Jedenfalls nicht ohne meine Zustimmung. Ich – pardon – wir haben sie für die ganze Saison engagiert.«
»Dann käme ich wirklich in ernste Verlegenheit«, räumte Cyrus ein. »Sie hat die Zeichnungen der Reliefe in Ajas Grab noch nicht fertiggestellt. Nun ja, besonders gut waren sie zwar nicht, aber ich vermute mal, dass David keine –«
»Verzeihen Sie«, sagte ich rasch. »Katherine winkt mir. Ich muss weiter.«
Cyrus war immer ein exzellenter Gastgeber gewesen, und Katherine setzte die eleganten Akzente, für die sie als aufmerksame Hausfrau ein Händchen hatte. Kerzen brannten in den funkelnden Kristallhaltern und Windlichtern, Kübel mit üppigen Grünpflanzen bildeten lauschige Ecken für Zwiegespräche, auf den ringsum verteilten Tischchen standen frische Blumen. Einige Archäologenkollegen waren gekommen, allerdings niemand vom Metropolitan. Demzufolge schloss ich, dass die Amerikaner Cyrus’ Einladung genauso abgelehnt hatten wie
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