Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
hat sie nicht gesehen.«
»Was ist mit Nadji?«, fragte ich.
»Genau das Gleiche.« Cyrus spähte zu Sir William. »Anzüge und persönliche Sachen sind weg und der junge Mann spurlos verschwunden. Wir haben überall gesucht, Fährleute und Einheimische befragt; schließlich gewann Sir William die Überzeugung, dass Suzanne – beziehungsweise beide – hier bei Ihnen sein müssten.«
Die logische Schlussfolgerung lag klar auf der Hand. Ich erwähnte sie nicht laut, da Sir William sich nur erneut aufgeregt hätte.
»Nehmen Sie ihn wieder mit ins Schloss und behalten Sie ihn dort«, wies ich Cyrus an. »Hier ist er nur im Weg. Wir kümmern uns um die Sache und informieren Sie, sobald wir Genaueres wissen.«
Nach ihrem Aufbruch beteuerte Daoud mit Nachdruck: »Ich war’s nicht, Sitt Hakim. Ich hab sie nicht entführt.«
»Das weiß ich doch, Daoud. Die Erklärung ist –«
»Ganz offensichtlich«, unterbrach mich Sethos. Seine Augen blitzten auf. »Wir haben uns gefragt, wer von unseren Leuten der Gegenseite berichten könnte. Die zwei sind die einzigen Fremden in unserer Mannschaft. An der jungen Frau hatte ich von Anfang an meine Zweifel; sie ist Französin, und Frankreich hat ein Interesse an Syrien.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses unbedarfte Mädchen eine Agentin des französischen Geheimdienstes ist«, ereiferte sich Nefret.
»Geheimdienste stellen besonders gern hübsche junge Frauen ein«, sagte Sethos dunkel.
»Eine begabte Künstlerin ist sie jedenfalls nicht, so viel steht fest«, konstatierte Emerson. »Sicher, Peabody war von ihren Zeugnissen beeindruckt, aber die Zeichnungen könnte auch jemand anders für sie gefertigt haben.«
»Das ließe sich bei Nadji genauso anführen«, warf David ein. »Er ist Ägypter und ein Intellektueller, also exakt der Typ, den die Sache der Nationalisten anspricht. Womöglich hat er den Angriff auf sich fingiert, um jedes Misstrauen zu zerstreuen.«
»Beide sind letzte Nacht verschwunden«, setzte Ramses hinzu. »Kurz nachdem David und ich flüchten konnten. Zufall?«
Emerson raufte sich die Haare. »Sie arbeiten doch bestimmt nicht zusammen, oder?«
»Wieso nicht?«, gab sein Sohn zurück. »Ohne Mitwirkung Dritter hätte Suzanne das Schloss nicht unbemerkt verlassen können. Sie wirkt nicht sonderlich sportlich und hatte nach Katherines Aussage einen schweren Koffer dabei. Ein starker junger Mann hätte ihr beispielsweise über die Mauer helfen können.«
Sethos nickte gedankenvoll. »Auf dem Grundstück gibt es mehrere Stellen, an denen ein trainierter Mann die Mauer durchaus überwinden kann.«
»Du musst es schließlich wissen«, ätzte der Professor.
»Richtig«, bekräftigte Sethos. »Und die Tatsache, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach zusammen geflüchtet sind, untermauert meine Hypothese. Sie sind und waren ein Team. Ich erzählte ja bereits, dass diverse Gruppierungen in diese Konspiration involviert sind.«
»Du hast uns eine ganze Menge erzählt«, bemerkte ich trocken. Sein überhebliches Lächeln war nervenzermürbend.
»Bist du auch sicher, dass du nichts Entscheidendes vergessen hast, was zu weiteren Beinahe-Katastrophen führen könnte? Hättest du beispielsweise zugegeben, dass du Margaret entführt hast, wäre David nicht nach Luxor gefahren wäre und Ramses ihm heimlich gefolgt. Es ist ein Wunder, dass sie da heil herausgekommen sind!«
»Ich weiß, ich weiß«, räumte Sethos ein. »Aber sei jetzt nicht unfair, Amelia; hätte ich gewusst, dass David selbst in ein Komplott verwickelt war, hätte ich mich völlig anders verhalten.«
»Das sagst du jetzt.« Emerson fixierte ihn stirnrunzelnd. »Hast du dem noch etwas hinzuzufügen?«
»Nein«, beteuerte Sethos. »Mein Wort darauf.«
11. Kapitel
Aus Manuskript H
Er hatte gewusst, dass Nefret darauf bestehen würde, ihn nach Kairo zu begleiten. Er debattierte auch nicht mit ihr. Er kannte diesen Blick, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.
Sethos versuchte es ihnen auszureden. »Reine Zeitverschwendung, Ramses. Bashirs Truppe ist ein unfähiger Haufen. Würde mich nicht überraschen, wenn Russell schon über ihre Pläne informiert ist. Das ist ein Fall für den Geheimdienst, und der hat ein Auge auf die hiesigen Dissidenten.«
»Davon dürfen wir nicht ausgehen«, wandte Nefret ein. »Wäre es nicht am besten, wenn du Mr Smith über die neueren Entwicklungen in Kenntnis setzen würdest?«
»Wie ich bereits erwähnte, sind wir alle hinreichend
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