Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
Emerson. »Ich muss alles wissen – wer intrigierte gegen wen und warum und wofür? Und kommen Sie mir nicht mit Ihren Geheimhaltungsvorschriften, sonst platzt mir nämlich der Kragen!«
»Da sei Gott vor«, sagte Smith frömmlerisch. »Also gut. Ich werde ausnahmsweise über gewisse Vorschriften hinwegsehen, um Sie hinlänglich zu beruhigen – und um voreilige Aktionen Ihrerseits zu konterkarieren.«
»Bitte, legen Sie los.« Ich zückte meinen Stift. Smith verkniff sich einen missfälligen Kommentar.
»Es gab nur eine Verschwörung«, begann er. »Bashirs Gruppierung und die Störenfriede im Irak waren an derselben Intrige beteiligt, wussten aber nichts voneinander. Sie kannten auch nicht das eigentliche Ziel derjenigen, die hinter der Sache standen. Beide waren von Männern infiltriert worden, die sie für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen suchten – professionelle Killer, auf brutale Mordanschläge gedrillt. Der bedauernswerte Bashir wollte niemandem etwas Böses. Diese Möchtegern-Rebellen mit ihren Theorien von unblutigen Aufständen sind für mich offen gestanden idealistische Wirrköpfe.
Als Ramses mit seiner Frau unverhofft in Kairo auftauchte, schlugen die Attentäter Alarm. Sie wussten, dass das verschlüsselte Dokument keine Fälschung war, und fürchteten, dass er den wahren Charakter der Intrige enthüllen könnte. Sie verfolgten Sie seit Ihrer Ankunft, und Sie haben es ihnen auch noch leicht gemacht. Ein Frühstück vor Gott und aller Welt auf der Terrasse eines stark frequentierten Luxushotels! Jedenfalls bekam Bashir Wind von der Sache und versuchte, Sie zu warnen. Er war ein Märtyrer, wenn Sie so wollen«, schloss Smith mit einem Nicken zu Ramses.
Wir gedachten Bashirs mit einer Schweigeminute. Gut möglich, dass er den Kindern mit seiner Zivilcourage das Leben gerettet hatte. Dann sagte Emerson: »Drei Morde. Warum?«
»Ist das nicht Sache der Polizei?«, versetzte Smith. »Wer profitiert letztendlich davon? Fragen Sie sich doch mal, was passiert wäre, wenn diese Attentate nicht vereitelt worden wären.«
Seine Überheblichkeit war unerträglich. Ramses, der ihn ohnehin nicht ausstehen konnte, erwiderte: »Ägypten und Irak wären im Chaos versunken. England hätte sich zu einer Intervention genötigt gesehen. Womöglich mit umfassendem Militäreinsatz und der Wiedereinrichtung eines formellen Mandats.«
»So ist es«, sagte Smith mit einem gönnerhaften Nikken. »Und wer hätte davon profitiert?«
»Die Hurrapatrioten und Imperialisten in England«, räumte ich ein. »Die überwiegende Mehrheit glaubt nämlich immer noch, die europäischen Großmächte hätten das Recht, wenn nicht sogar die Pflicht, über diejenigen zu herrschen, die sie für unterlegen halten.«
»Und wer noch?«
Erstaunlicherweise war es Sethos, dem der Geduldsfaden riss. »Die Hurrapatrioten sind lediglich Mittel zum Zweck. Hinter ihnen stehen Drahtzieher, die unter britischer Herrschaftskontrolle Geld scheffeln wollen. Im Irak ist es das Öl, in Ägypten sind es Baumwolle und Agrarerzeugnisse. Die Schattenorganisation, von der ich bereits sprach, und deren Mitglieder werden vermutlich niemals belangt werden. Letztlich geht es ihnen einzig um den Profit, Menschenleben bedeuten ihnen nichts.«
Smith wirkte eine Spur pikiert. Sethos’ flammende Rede hatte ihm sämtlichen Wind aus den Segeln genommen.
»Das war’s im Wesentlichen.« Mein Schwager stützte sein kantiges Kinn auf die gefalteten Hände.
»Dann werden diese Leute niemals zur Rechenschaft gezogen«, sinnierte ich laut.
»Niemals. Man weiß nicht einmal, wer sie sind. Sie agieren im Hintergrund und bedienen sich gewiefter Mittelsmänner.«
»Verdammt deprimierendes Szenario.« Emerson kaute an seinem Pfeifenmundstück.
»Korrekt«, bekräftigte Smith. Seine maskenhaft starren Züge entspannten sich kaum merklich. »Wir können uns lediglich in Schadensbegrenzung üben und vielleicht den einen oder anderen kleinen Fisch an Land ziehen. Immerhin sind wir zwei der fraglichen Kriminellen auf der Spur. Malraux und Farid.«
»Da muss ich Sie leider enttäuschen«, versetzte ich mit einem gewissen Bedauern. »Suzanne und Nadji haben damit nichts zu tun.«
»Wieso sind die beiden dann ausgerissen?«, wollte Emerson wissen. »Ausgerissen … Oh nein. Nein!« Er schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Erzähl mir jetzt nicht, das ist wieder eine von deinen –«
»Doch, doch«, bestätigte ich. »Sie rissen aus, um zu heiraten. Suzanne traute sich
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