Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
»Oder möchten Sie etwas Stärkeres?«
Ramses schüttelte den Kopf. Nefret tippte auf einen blutenden Kratzer auf ihrer Wange. »Irgendetwas Alkoholisches«, sagte sie leise. »Um die Wunde zu desinfizieren.«
Die Polizei war erstaunlich schnell angerückt. Russells Leute waren darauf gedrillt, umgehend auf Schüsse zu reagieren, vor allem, wenn sie in unmittelbarer Nähe des Präsidiums fielen. Den Schützen konnten sie trotzdem nicht dingfest machen. Er hatte die Flinte in der Gasse liegen lassen, die er als Deckung benutzt hatte, und war in der Menge untergetaucht.
Russell war nicht der Typ, der sich in Kleinigkeiten verzettelte. »Noch einmal von vorn. Verstehe ich das richtig, dass es zwei unterschiedliche Verschwörungen gibt, eine in Ägypten und eine im Irak? Dass beide auf einen unblutigen Sturz der Regierung abzielen? Wer hat denn dann Bashir auf dem Gewissen? Einer seiner Gefolgsleute, dem seine pazifistische Gesinnung nicht passte?«
Ramses mochte ihm den zynischen Tonfall nicht verübeln. »Wahrscheinlich irgendjemand, der sich mit ihm überworfen hatte«, meinte er. »Sie versuchten zu verhindern, dass wir Sie über die Verschwörung informieren.«
»Wieso zum Teufel sollten sie sich die Mühe machen?«, erregte sich Russell. »Das ist keine Verschwörung, das ist Kinderkram!« Er rieb sich das Kinn. »Verzeihen Sie, Mrs Emerson.«
»Sie haben mir aus der Seele gesprochen«, erwiderte Nefret. »Der Mord an Bashir zieht die ganze Geschichte in Zweifel.«
»Sie sagten, Sie hätten es von Todros erfahren.«
Russells Stimme klang betont beiläufig, obwohl er David noch nie richtig über den Weg getraut hatte. Ramses sagte: »Wie ich bereits darlegte, hat Mr Todros so getan, als würde er mit Bashirs Sache sympathisieren, weil er sein Vertrauen gewinnen wollte. Und ich zweifle keine Sekunde lang an der Ehrlichkeit seiner Aussage. Die Intrige gegen Feisal kam aus einer ganz anderen Ecke. Ich gestehe ganz offen, dass ich diese Entwicklung nicht zu erklären weiß. Allerdings gibt es da jemanden, der die Situation unter Umständen erhellen kann.«
»Grundgütiger.« Russells Mundwinkel verzogen sich säuerlich. »Nicht dieser Bas … Bloß nicht. Die Leute vom Geheimdienst meinen immer, sie können das Gesetz mit Füßen treten. Er wird erst gar nicht mit mir reden.«
»Aber mit mir.« Ramses erhob sich. »Komm Nefret, wir gehen.«
»Ich sichere Ihnen Begleitschutz zu«, sagte Russell rasch. »Und bitte Sie eindringlich, Kairo umgehend zu verlassen.«
Emerson war genauso schwer zu nehmen wie sein Bruder. Hätte er ein Flugzeug oder ein geflügeltes Pferd besessen, wäre er umgehend abgehoben. So blieb ihm nichts anderes übrig, als auf den Nachtexpress nach Kairo zu warten.
Ich wies ihn nicht auf das Naheliegende hin, das ihm gleichermaßen gewärtig war wie mir. Ramses und Nefret waren am Morgen in Kairo angekommen. Falls ein Anschlag auf sie verübt werden sollte, war das womöglich längst passiert.
Sie hatten versprochen, uns nach ihrem Gespräch mit Thomas Russell ein Telegramm zu übermitteln. Ich schickte Hassan zum Telegrafenamt, damit er die Nachricht gleich nach ihrem Eintreffen an uns weiterleitete. Der Tag zog sich endlos lange hin, es kamen keine Neuigkeiten und Emersons Selbstkontrolle bekam allmählich Risse.
»Ich glaube, die gemeinsame Teezeit mit den Kindern pack ich nicht«, stöhnte er.
»Du musst. Für die Kleinen muss alles so aussehen wie immer. Zudem können wir erst in ein paar Stunden los. Geh dich doch schon mal umziehen.«
»Einen Teufel werd ich tun.«
Ich mochte nicht herzlos sein und ihn weiter bedrängen. Er hatte sich in der Verandatür aufgebaut, von wo aus er mit gerecktem Hals die Straße zum Fluss überblickte.
Ich ging, um kurz nach Sethos zu schauen. Dafür musste ich Daoud wecken, der auf der Türschwelle eingeschlafen war. Er erklärte mir, sein Gefangener sei nicht geneigt, Konversation zu machen, folglich habe er sich gelangweilt. Sethos saß auf dem Bettrand, er starrte auf seine ineinander verschränkten Finger. Seine Miene angespannt, blickte er auf. »Irgendwelche Neuigkeiten?«
»Ich informiere dich umgehend, wenn wir etwas hören. Wenn nicht … fahren Emerson und ich mit dem Nachtzug nach Kairo.«
»Ich würde euch gern begleiten.«
»Das würde Emerson niemals billigen, und ich muss zugeben, ich teile seine Bedenken.«
»Die kann ich zerstreuen, wenn ihr mir eine kurze Unterredung mit Smith einräumt. Bitte Amelia.«
»Ich hab da auch
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