Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
Junge?«, fragte er mit erstickter Stimme.
»Nein Sir. Das heißt – wir haben uns noch nicht entschieden. Oder besser gesagt …« Sein hilfloser Blick glitt zu Nefret. Darauf setzte sie sich auf Emersons Stuhllehne und legte einen Arm um seine eingesunkenen Schultern.
»Wir haben darüber gesprochen, uns aber noch nicht festgelegt.«
»Es bleibt natürlich euch überlassen.« Emerson kramte nach einem Taschentuch und putzte sich geräuschvoll die Nase. »Die Kleinen werden mir fehlen.«
Jetzt drückte er aber gewaltig auf die Tränendrüse, fand Ramses. Emersons Empfindungen waren gewiss aufrichtig, aber statt zu brüllen und zu toben, versuchte er, ihnen Schuldgefühle einzuimpfen.
»Du solltest dich schämen«, fauchte seine Frau unbeeindruckt.
Cyrus, der bis dahin taktvoll geschwiegen hatte, wandte behutsam ein: »Wenn Sie meine Meinung hören wollen –«
»Will ich aber nicht«, erwiderte Emerson und vergaß die sich selbst auferlegte Rolle als Märtyrer.
»Aber ich«, versetzte seine Gattin. »Wir sind alle gefragt, was unsere Pläne für diese und kommende Expeditionen betrifft. Es ist doch sicher so, dass wir bei der getroffenen Regelung bleiben und weiterhin in einer bewährten Mannschaft zusammenarbeiten, oder?«
»Es wäre mein sehnlichster Wunsch«, rief Cyrus. »Ich würde dem Ganzen nur gern offiziellen Charakter geben. Da ich kein Ägyptologe bin, würde ich mich glücklich schätzen, wenn Emerson den Posten des wissenschaftlichen Direktors übernähme.«
»Hmpf … tja«, grummelte Emerson.
»Eine ausgezeichnete Idee«, versetzte seine Frau eilig. »Wir können nicht auf unbestimmte Zeit im Westtal weiterarbeiten. Das war lediglich eine vorübergehende Lösung. Wir müssen uns auf ein anderes Gebiet konzentrieren und unsere Mannschaft verstärken.«
»Ich sag Ihnen, was wir brauchen«, sinnierte Cyrus laut. »Einen Künstler. Schätze mal, Mr oder Mrs Davies sind nicht abkömmlich, hm?«
»Nein, nein«, antwortete Emerson. »Keine Chance. Sie haben andere Verpflichtungen. Aber David –«
»Hat ebenfalls andere Verpflichtungen«, sagte seine bessere Hälfte in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. »Was ist mit der jungen Französin, Mademoiselle Malraux?«
Sie hatte es wieder getan. Emerson ging stillschweigend über ihren Vorschlag hinweg und verlor sich stattdessen in Detailfragen. Folglich fertigte sie zwei ihrer kleinen Listen an, eine mit möglichen Ausgrabungsgebieten und eine mit potenziellen Neuzugängen für ihre Crew.
»Dann fahr ich morgen kurz nach Kairo«, verkündete sie.
»Weswegen?«, erkundigte Emerson sich argwöhnisch. »Ich möchte mich mit den in Frage kommenden Mitarbeitern unterhalten, Monsieur Lacau von unserer Übereinkunft in Kenntnis setzen und ihn um Empfehlungen für neue Exkavationsgebiete bitten«, versetzte sie seelenruhig. »Oder magst du lieber fahren?«
Da er Carters Bespitzelung unter gar keinen Umständen sausen lassen wollte, strich Emerson kampflos die Segel – nichts anderes hatte sie erwartet.
Nach dem Aufbruch der Vandergelts nahm Ramses seine Mutter kurz beiseite. »Du hast doch nicht etwa vor, dir Häuser für uns anzusehen, oder?«
»Ich bezweifle, ob dafür noch Zeit bleibt.« Sie überflog ihre Listen. »Ich will auch nicht allzu lange wegbleiben. Ach ja, noch etwas. Versuch zu verhindern, dass dein Vater Carter dauernd schikaniert.«
»Ja Mutter. Du hast doch noch etwas auf deiner mentalen Liste vermerkt, oder?«
Sie sah zu ihm hoch, ihre Miene ernst. »Man beobachtet uns weiterhin, nicht?«
»Ich hab ein Auge darauf, aber bislang nichts Verdächtiges bemerkt.«
»Trotzdem hast du ein komisches Gefühl. Ich auch. In dieser Hinsicht entwickelt man eine gewisse Sensibilität.«
»Ja.« Ramses nickte. »Hast du in letzter Zeit von Abdullah geträumt?« Er konnte sich die Frage nicht versagen.
Als sie jene ungewöhnlichen Träume das erste Mal erwähnte, hatte er sich für sie gefreut, weil sie sich durch die realitätsnahen Begegnungen mit ihrem verstorbenen Rais getröstet fühlte. Abdullah hatte sein Leben für sie geopfert, aber das innere Band zwischen ihnen war schon damals ungeheuer stark gewesen. Sie und der alte Ägypter hatten im Laufe der Jahre eine Beziehung zueinander aufgebaut, die Ramses wegen der Unterschiede in Herkunft und Glaubensanschauung niemals für möglich gehalten hätte. Dankbarkeit und tiefe Zuneigung, die Nichtakzeptanz des Verlusts nährten vermutlich ihre Überzeugung, dass die von ihr
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