Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
erwerben suchte. Ramses meinte, Howard würde sich mit der Namensgebung auf das alte englische Sprichwort »My Home is my Castle« beziehen. Der Junge ist eindeutig philanthropischer veranlagt als ich.
Howard hatte das Haus selbst entworfen und mit finanzieller Unterstützung Seiner Lordschaft gebaut. Das Grundstück war nichts Überwältigendes, ein karger Wüstenflecken ohne Grünpflanzen oder Rasen, aber das Gebäude war ansprechend, im arabischen Stil gehalten, mit einem kuppelförmigen Dach als zentralem Blickfang und hohen Bogenfenstern im Speise- sowie in den Schlafräumen.
Howard hieß uns etwas steif willkommen (was meinen Argwohn nährte, dass die Einladung auf Emersons Mist gewachsen war und nicht auf Carters). Wir nahmen einen Begrüßungsdrink unter der gewölbten Decke in der Empfangshalle. Sie war schlicht, aber gemütlich eingerichtet, mit niedrigen Schemeln, Ottomanen und Messingtischchen. Howard stellte uns sein neues Haustier, einen jungen Kanarienvogel, vor. Nefret, die Howards Tierliebe teilte, ging sofort zu dem Käfig und trällerte dem niedlichen Geschöpf etwas vor. Es neigte den Kopf und flötete zurück.
»Ganz reizend«, murmelte ich.
Emerson verschluckte sich fast an seinem Drink. »Ich hoffe, ihm ist ein glücklicheres Schicksal beschieden als einigen Ihrer anderen Haustiere, Carter. Was ist eigentlich mit Ihren Katzen und den Raubvögeln?«
»Oh, keine Sorge, ich lass ihn nicht aus dem Käfig«, sagte Howard. Er steckte einen Finger zwischen die Gitterstäbe. Der Kanarienvogel hüpfte zutraulich darauf und ließ sein melodisches Trillern erklingen. Er setzte hinzu: »Es heißt doch, ein Vogel ist ein gutes Omen. Ein goldener Vogel verheißt eine goldene Entdeckung in dieser Saison.«
Wir schlenderten in den Speiseraum. Emerson, der vermutlich mal wieder genug hatte von höflicher Konversation, erkundigte sich rundheraus, ob Howard in den Kairoer Antiquitätenläden erfolgreich gewesen sei. Der Archäologe zuckte mit den Schultern. »Nicht besonders. Hoffentlich hab ich in Luxor mehr Glück.«
Er nahm einen Löffel Suppe und verzog das Gesicht. »Ich muss mich für meinen Koch entschuldigen. Er hat nicht die Erfahrung Ihres Maaman.«
Das Essen war in der Tat indiskutabel – die Suppe verwürzt, das Fleisch zäh, das Gemüse zu einem unappetitlichen Brei verkocht. Natürlich behielt ich meine Kritik für mich.
Nachher zeigte Howard uns seine Neuerwerbungen. Eine war sehr hübsch – ein Kosmetiktiegel, der aus sieben miteinander verbundenen Zylindern bestand, die einstmals unterschiedliche Farben für Gesicht und Hände enthalten hatten. Meine Begeisterung entlockte Howard nur ein wegwerfendes Schulterzucken. »Es ist leider nicht das, was Seine Lordschaft sich so vorstellt. Wissen Sie zufällig, ob von den Händlern in Luxor außergewöhnliche Artefakte angeboten werden? Irgendwas, wo Vandergelt noch nicht den Daumen drauf hat«, fügte er säuerlich hinzu.
»Mr Vandergelt ist erst heute eingetroffen, folglich sind Sie ihm einen Schritt voraus«, antwortete Ramses grinsend. »Allerdings haben wir nichts dergleichen gehört.«
»Morgen früh werde ich mich als Erstes in Mohassibs Laden umschauen«, erklärte Howard.
»Dann haben Sie also nicht vor, unmittelbar mit Ihrer Arbeit zu beginnen?«, erkundigte sich Emerson. Howard blieb die mitschwingende Kritik nicht verborgen. »Ich sehe keinen Grund zur Eile. Seine Lordschaft wird erst in einigen Wochen erwartet, und das kleine Dreieck haben wir in relativ kurzer Zeit freigelegt.«
»Und dann?«, bohrte Emerson.
Howard bedeutete dem artig im Hintergrund wartenden Diener, ihm das Weinglas nachzufüllen. »Das überlasse ich Seiner Lordschaft.«
Manch einer hätte es bei dieser Aussage belassen und die Angelegenheit nicht weiter verfolgt. Nicht so Emerson. »Sie hoffen aber, ihn davon zu überzeugen, dass er die Exkavation im Osttal fortsetzt, hm?«
»Wenn Tutanchamon nicht in dem kleinen Dreieck ist, muss er irgendwo anders sein«, erklärte Howard ausweichend.
»Nicht unbedingt«, sagte Emerson. »Ich meine … nicht unbedingt im Osttal.« Vermutlich bedauerte er das Gesagte, denn er setzte mit ertappter Miene hinzu: »Sein Grab ist schließlich nicht das einzige, das wir bislang nicht lokalisieren konnten.«
»Aber genau auf sein Grab kommt es mir an«, versetzte Howard. »Sie wissen es, Emerson, alter Junge, Sie haben mich doch letztes Jahr bedrängt, ich solle weitersuchen, schon vergessen? Und ich bin Ihnen dankbar für
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