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Amelia Peabody 18: Das Königsgrab

Titel: Amelia Peabody 18: Das Königsgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Archäologen nämlich penetrant über die Schulter und gab den Männern gezielte Anweisungen. Allerdings war Howard so fasziniert, dass er das gar nicht mehr merkte. Zwangsläufig waren die Stufen – wie viele es auch immer sein mochten – und der Treppensturz mit Geröll bedeckt. Die Männer schufteten wie Besessene, weil sie genau wie wir herausfinden wollten, was sich unter dem Schutt verbarg. Ungeachtet dessen ging die Arbeit entsetzlich langsam voran, denn Howard war ein umsichtiger Exkavator und beachtete akribisch die vorgegebenen Sicherheitsstandards, obwohl der Professor ihm ständig in den Kram pfuschte. Im Laufe des Morgens nahm der Menschenauflauf rings um das Grabungsgelände stetig zu – Wachleute und Dragomane und neugierige Touristen. Letztgenannte blieben nie lange, weil es nichts zu sehen gab, aber einige Ägypter schauten wie gebannt zu. Anders als die Besucher wussten sie freilich, was solche in den Stein gehauenen Stufen bedeuteten. Weswegen es mich auch nicht verwunderte, unter den Zuschauern die verschlagenen Gesichter der Ibn Simsahs zu entdecken, einer berühmt-berüchtigten Grabräuberfamilie in Kurna. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel – die staubige Kleidung klebte an unseren Körpern, als eine weitere Gruppe zu uns stieß: Cyrus und Bertie Vandergelt mit Jumana, Ramses und Nefret.
    »Wir haben es eben erfahren«, sagte Cyrus. »Sieht gut aus für Sie, nicht?«
    »Ist noch zu früh, um definitiv etwas zu sagen«, erwiderte Howard vorsichtig.
    »Wir haben einen gut gefüllten Picknickkorb mitgebracht«, sagte Nefret. »Wollt ihr nicht mal eine kleine Pause einlegen?«
    Ihr mitfühlendes Lächeln führte Howard wohl schlagartig vor Augen, wie wenig gentlemanlike er aussah mit seiner verrutschten Krawatte und dem schmutzstarrenden Anzug. Bestimmt hätte er uns am liebsten in die Hölle gewünscht, denn er konnte uns schwerlich verscheuchen.
    Das Grab von Ramses VI. war das nächste, das Schutz vor der Hitze bot. Allerdings war es auch ein beliebtes Touristenziel. Emerson nahm sich dieses kleinen Problems an. »Die Grabstätte ist vorübergehend geschlossen«, blaffte er den diensthabenden Wachmann an. »Hol die Leute da unten raus, Mahmud, und lass keinen mehr rein, bis wir wieder weg sind.«
    Da Cyrus ebenfalls Erfrischungen mitgebracht hatte, genossen wir einen leckeren kleinen Lunch in trauter Runde und übertrafen uns gegenseitig mit unseren Spekulationen. War es nun ein fertiggestelltes Grab oder nicht? Von einem Herrscher oder von einem der Adligen? War der Eingang noch versiegelt oder schon in der Frühzeit aufgebrochen worden? Uns allen war klar, dass erstere Möglichkeit an ein Wunder grenzte, aber, werte Leser, man soll die Hoffnung nie aufgeben. Ramses war wie üblich die Ruhe selbst.
    Gegen Abend war immer noch ungeklärt, was wir – pardon, ich meine natürlich Howard – eigentlich entdeckt hatte(n). Zum besseren Verständnis möchte ich an dieser Stelle erläutern, wie solche Gräber konstruiert waren. Am Fuß der Klippen wurden Stufen in Form einer absteigenden Treppe in das Sedimentgestein geschnitten, und wenn die gewünschte Tiefe erreicht war, führte ein rechtwinkliger Durchlass zu den Korridoren und der Kammer mit dem Sarkophag. Dieser Durchgang musste sich direkt unter dem Niveau der obersten Stufen befinden, da es bislang keinerlei Hinweis darauf gab – zudem lag der Gesteinsschutt an manchen Stellen fast vier Meter hoch. Howard arbeitete weiter, bis die zunehmende Dunkelheit jedes umsichtige Vorgehen vereitelte. Emerson hätte bestimmt weitergemacht, ich wies ihn jedoch taktvoll darauf hin, dass er das nicht zu entscheiden hätte. In jener Nacht schlief er extrem unruhig und wälzte sich ächzend von einer Seite auf die andere, bis ich ihm ernsthaft mit dem Rauswurf aus unserem Schlafzimmer drohte.

    Wenn ich nicht vehement protestiert hätte, wäre Emerson tags darauf wieder in aller Frühe ins Tal geritten. Darauf angesprochen, räumte er ein, dass die Freilegung der gesamten Treppe nach seinen Berechnungen noch einen Tag intensiver Arbeit beanspruchen würde.
    »Wir sollten wenigstens so tun, als kämen wir nur zufällig vorbei«, schlug ich vor. »Howard wird sich nichts dabei denken, wenn wir auf dem Rückweg vom Westtal bei ihm vorbeischauen. Aber wenn du dich ständig in seinem Grabungsgebiet herumdrückst –«
    »Hölle und Verdammnis«, brüllte Emerson. »Sieh doch mal, Peabody –«
    »Mutter hat Recht«, schnitt Ramses ihm das Wort

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