Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
grinste selbstgefällig. »Habt ihr schon Kaffee gekocht?«
»Oh ja, Vater der Flüche«, sagte der jüngere Mann.
»Ali Mohammed bringt euch gleich welchen.«
Wir bekamen unseren – ihren – Kaffee, sehr schwarz und süß und heiß. Die Männer hätten sich niemals angemaßt zu fragen, was wir um diese nachtschlafende Uhrzeit im Tal machten. Allerdings blickte der Jüngere der beiden interessiert auf das halb zugeschüttete Loch. Wir plauderten über alles Mögliche. Ali Mohammed äußerte Zweifel an der Treue einer der Dorfehefrauen; Ishak berichtete, dass die Brüder Ibn Simsah wohl wieder ein unerforschtes Grab im Wadi el Sikkeh gefunden hätten. Schließlich verließen sie uns, versehen mit einem großzügigen Bakschisch von Emerson. Für ihre Gastfreundschaft hätten sie niemals Geld angenommen, aber ein kleines Geschenk war etwas völlig anderes.
Der fahlgraue Himmel nahm allmählich eine blassblaue Färbung an. Die Sonne war über den östlichen Klippen aufgegangen, doch in dem tief eingeschnittenen Tal merkte man davon noch nicht viel. Emerson wurde zusehends ungeduldiger. Er muffelte und murrte. Schließlich vernahmen wir die Stimmen von Howards Leuten, angeführt von seinem Rais. Sie begrüßten uns kein bisschen erstaunt, da man sie freilich schon von unserem Erscheinen informiert hatte. Rais Ahmed Gurgar war einer der angesehensten Vorarbeiter in Luxor und aus härterem Holz geschnitzt als die anderen. Meinen Mann mit respektvollem und zugleich kritischem Blick taxierend, erkundigte er sich, ob Effendi Carter uns erwartete.
»Nein«, antwortete Emerson. »Wir möchten ihn überraschen. Und du hast, schätze ich, eine noch größere Überraschung für ihn. Schau her.«
Howard tauchte erst nach einer weiteren Stunde auf. (Seine Verspätung wurde von Emerson mit einer Reihe spitzer Bemerkungen dessen kommentiert, der stets zeitgleich mit seiner Mannschaft an einem Ausgrabungsort eintrifft. Zu Carters Entlastung sei allerdings angemerkt, dass die Beseitigung des herumliegenden Gerölls definitiv eine Aufgabe für seinen erfahrenen Vorarbeiter war.) Der Rais hatte die erste Stufe freigelegt und sich mit Emerson auf einen gemeinsamen Wortlaut geeinigt, und in diesem Moment näherte sich Howard Stöckchen schwenkend. Sobald er auftauchte, schwiegen die Männer. Howard bemerkte uns zunächst nicht, zumal wir uns taktvoll zurückgezogen hatten.
»Wieso hast du aufgehört zu arbeiten?«, wollte er von Gurgar wissen.
Es war ein Augenblick von hoher Dramatik. Statt zu antworten, deutete der Rais eine ausladende Geste an, die Carters Augenmerk auf die Stufe lenkte.
Britisches Phlegma verpuffte, will heißen: Howards würdevolles Auftreten löste sich in Wohlgefallen auf. Seine Gesichtsfarbe wechselte von käseweiß zu krebsrot, und er sank auf die Knie. Allerdings nicht um zu beten, sondern um genauer hinzuschauen. Unvermittelt realisierte ich, wie ungeheuer viel ihm eine derartige Entdeckung bedeutete. Dabei fiel mir wieder ein, was er in meiner Gegenwart einmal über die Exkavationen geäußert hatte, die der Amerikaner Theodore Davis finanzierte. »Ich finde es nicht richtig, dass er ein Grab nach dem anderen entdeckt, und Seine Lordschaft geht leer aus.« Oder auch er selbst, dessen Karriere auf dem Wohlwollen eines finanzkräftigen Gönners basierte.
»Grundgütiger«, japste er. »Wann … wie …«
»Gleich nachdem wir anfingen zu graben, sind wir darauf gestoßen. Dann haben wir aufgehört und auf Sie gewartet.«
»Ja, ja.« Howard rappelte sich auf und klopfte sich den Sand von der Hose. »Ganz recht. Dann macht jetzt weiter. Womöglich hat es nichts weiter zu bedeuten.«
»Ich denke doch«, sagte Emerson.
Howard fuhr hoch. »Was zum Teufel – oh, guten Morgen, Mrs Emerson. Ähm … wie lange sind Sie schon hier?«
»Ach wissen Sie, wir waren auf einem frühmorgendlichen Ausritt«, antwortete Emerson ausweichend. »Als wir ankamen, war Rais Gurgar gerade auf seinen Mordsfund gestoßen. Da konnten wir nicht widerstehen und sind geblieben. Wollten uns mal genauer ansehen, was er da Schönes entdeckt hatte. Macht Ihnen doch nichts aus, oder? Komm Peabody, setz dich doch.«
Der Sitz war ein Klappschemel, den der Vorarbeiter hastig anschleppte. Ich setzte mich und lächelte Carter zu, der uns jetzt nur noch mit einer unhöflichen Abfuhr losgeworden wäre.
Ich hätte es Howard wahrhaftig nicht übelgenommen, wenn er Emerson in die Wüste geschickt hätte. Mein Göttergatte schaute dem
Weitere Kostenlose Bücher