Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
Schattenorganisationen, ein obskures Dokument, das sich im Besitz einer Person befand, deren Namen du nicht nennen kannst oder willst. Da musst du dir schon was Überzeugenderes einfallen lassen, mein Freund, wenn dir an unserer Kooperation etwas liegt.«
Weiterhin grinsend blickte Sethos von mir zu Ramses. »Ob er nun kommen wollte oder nicht«, seufzte Letztgenannter, »er hat uns wie üblich ausgetrickst. Also, wo ist das verdammte Dokument?«
»In dem von mir erwähnten Keller, unter einem Hundekadaver versteckt.«
Als Nefret aufstöhnte, setzte Sethos hinzu: »Der Hund war schon vorher tot, Nefret.«
»Dann mach ich mich besser auf die Socken, bevor es noch in falsche Hände gerät.« Ramses erhob sich.
»Nimm Daoud und Selim mit.« Sethos lehnte sich zurück und schloss die Augen. »Und überleg dir schon mal eine glaubwürdige Ausrede, für den Fall, dass du mit irgendwem zusammenrasselst.«
Aus Manuskript H
Aus dem Stand fiel Ramses kein plausibler Vorwand ein, warum ihn ausgerechnet das schäbige kleine Dorf und vor allem das verfallene Haus interessieren sollte. Er war wütend auf seinen Onkel, und Selims Begeisterung für dieses neuerliche Abenteuer steigerte seinen Unmut zusätzlich. Waren denn alle außer seinem Vater und ihm diesem Scharlatan Sethos verfallen?
Das Dorf war eines von vielen am Rande des fruchtbaren Grünstreifens, südlich des Tempels von Sethos I. Als sie darauf zuritten, meinte Selim: »Wir tun so, als suchten wir nach Gräbern, ja?«
»Hier in der Gegend gibt es aber keine.«
»Wer weiß das schon so genau?«, gab Daoud zu bedenken. Er ritt Emersons Wallach, das einzige Pferd im Stall, das sein Gewicht aushielt.
»Stimmt«, sagte Selim. »Wir haben ein Gerücht gehört, hm? Das nimmt uns jeder ab. Es kursieren immer Geschichten von irgendwelchen unerforschten Gräbern.«
»Also gut«, knurrte Ramses. Darauf hätte er auch selbst kommen können. Aber in seiner Verärgerung über Sethos konnte er nicht mehr klar denken. Dennoch war es unfair, seine schlechte Laune an Selim auszulassen.
»Während wir nach Gräbern Ausschau halten, schleicht sich Daoud in das Haus und sucht das Dokument«, schlug Selim vor.
»Und was ist mit dem Hundekadaver?« Unwillkürlich musste Ramses grinsen.
»Ach, das macht mir nichts«, erwiderte der tierliebe Daoud. »Wie sieht dieses Dokument denn eigentlich aus?«
Ihre Ankunft sorgte für einen ziemlichen Wirbel. Zwar arbeiteten die meisten Männer auf den Feldern, aber Frauen, kleinere Kinder, Federvieh und Tattergreise strömten zahlreich ins Freie. Als Ramses sich nach unerforschten Grabstätten erkundigte, wurde er mit Informationen überschüttet. Ihm war klar, dass er die Hauptattraktion war; dieser schäbige kleine Ort sah selten Fremde, und der Besuch von einem Mitglied aus der Familie des Vaters der Flüche war ein Ereignis, über das man noch tagelang reden würde.
Er und Selim bahnten sich den Weg durch Kleinkinder und kläffende Hunde, ihnen voraus ein betagter Gentleman – ihr selbsternannter Führer – und gefolgt von sämtlichen Dorfbewohnern. Der Geräuschpegel war kaum auszuhalten. Es gab ein paar Gräber in den Felsen, alle klein und leer bis auf jede Menge Müll. Sie verbrachten einige Zeit dort und taten so, als inspizierten sie alles genauestens, dann kehrten sie um. Daoud erwartete sie bei den Pferden. Sein rundes, sympathisches Gesicht von einem Grinsen erhellt, hielt er eine Hand in den Falten seiner Robe versteckt.
Erst als sie sich weit genug von dem Dorf entfernt hatten, fragte Ramses: »Hast du es gefunden?«
»Ja.« Während er ihm das flache, mit einem breiten Band verklebte Päckchen reichte, merkte er an: »Es war tief vergraben. Der Hund sollte wohl ein Scherz sein. Da lagen bloß noch Knochen.«
»Typisch«, murmelte Ramses.
»Mach es auf«, drängte Selim.
Ramses war nicht minder neugierig. Mit seinem Messer schnitt er das Band auf und entfernte das gummierte Material. Im Innern, zwischen Kartondeckeln, lagen zwei gefaltete Papierbogen.
»Auf den Seiten stehen keine Wörter«, bemerkte Selim, dicht darüber gebeugt. »Was soll das bedeuten? Wolltest du denn das haben?«
»Von Wollen kann keine Rede sein. Eher das Gegenteil.«
Die Symbole waren Zahlen, Dutzende davon. Die einzigen Kodierungen und Chiffrierungen, die ihm vertraut waren, bedienten sich der Buchstaben des Alphabets.
»Verdammter Mist«, knirschte Ramses.
Am Mittwoch erreichte uns ein Telegramm von Emerson, mit der Ankündigung, er
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