Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
mit Gästelisten.«
»Bleib bei der Sache«, stieß Ramses zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Mir war klar, dass das Verschwinden auffallen würde. In der Tat«, räumte Sethos ein, »blieb mein Abgang nicht unbemerkt. Folglich war ich kaum verblüfft, als man mir am nächsten Tag auf dem Bahnhof Ärger machen wollte. Was mich allerdings überraschte, war, dass ich den betrunkenen Kaffeeverkäufer, der mich unter den fahrenden Zug stoßen wollte, wiedererkannte. Er arbeitet für die Abteilung, die dein alter Freund Cartwright leitete.«
»Der britische Geheimdienst!«, rief Ramses. »Wieso sollten die dich liquidieren wollen?«
»Genau das habe ich mich auch gefragt. Ganz loyaler kleiner Spion beabsichtigte ich, das verdammte Manuskript mit nach Kairo zu nehmen und dort zu übergeben. Dieser Zwischenfall hat meinen hehren Motiven einen Dämpfer verpasst. Augenscheinlich wurde ich die ganze Zeit observiert, sonst hätten sie sich niemals so schnell auf meine Fährte setzen können.«
»Ein gebräuchliches Standardverfahren.« Ramses schob gedankenvoll die Unterlippe vor. »Diese Mistkerle trauen keinem.«
»Da verrätst du mir nichts Neues. Trotzdem fand ich ihre Mutmaßungen, ich könnte das blöde Ding verkaufen, statt es an entsprechender Stelle auszuhändigen, reichlich unfair. Also nahm ich den Zug nach Kairo, stieg unterwegs wieder aus, rechtzeitig genug für eine Weiterreise nach Damaskus. Dort kam es zu dem zweiten Übergriff, und ich bin den drei brutalen Fieslingen mit ihren Langdolchen nur mit knapper Not entkommen. Das waren bestimmt keine von uns.«
»Vielleicht ist man dir von Bagdad aus gefolgt«, überlegte ich laut.
»Dann kann es keiner von unseren Leuten gewesen sein.« Sethos grinste hämisch. »Den Burschen hab ich nämlich kurzerhand unter den Zug verfrachtet.«
Nefret presste eine Hand vor den Mund. Sethos’ Grinsen verlor sich. »Ich wollte ihn nicht töten, Nefret. Er hätte mich auf die Gleise gestoßen, wenn ich mich nicht entschieden zur Wehr gesetzt hätte. Dabei verlor er das Gleichgewicht und … na ja. Um es kurz zu machen, nach einigen weiteren Zwischenfällen drängte sich mir der Verdacht auf, dass sich unterschiedliche Gruppierungen für mich interessieren. Ich schaffte es bis nach Ägypten, wagte mich aber nicht in die Nähe unserer Kommandozentrale. Durchaus denkbar, dass sie es dort ebenfalls auf mich abgesehen haben. Bei meiner Ankunft in Luxor war ich überzeugt, ich hätte sämtliche Verfolger abgeschüttelt, aber dann erfuhr ich von Ramses’ und Emersons Auseinandersetzung in dem Laden. Also bin ich erneut abgehauen, bis nach Assuan, wo ich mich bewusst auffällig verhielt, um das Augenmerk auf mich zu lenken. Und das ist das Ergebnis.« Er deutete auf seine Armverletzung. »Ab da hab ich ständig den Aufenthaltsort gewechselt und die Augen verdammt offen gehalten. Bis vor kurzem hauste ich in dem Keller eines verfallenen Hauses in Sebu al Karim, und als sich der Malariaschub ankündigte, bin ich hergekommen.«
»Wie anrührend«, versetzte Ramses, »dass es dich wieder in den Kreis deiner geliebten Familie zieht.«
Nefret bedachte ihn mit einem strafenden Blick. Sethos erwiderte kühl: »Dafür kann ich dir einen stichhaltigeren Grund nennen. Ich kann nämlich keine Pläne machen und niemandem vertrauen, bis ich weiß, was in diesem Dokument steht. Und du bist ein Fachmann in puncto Kodierungen und Dechiffrierungen.« Ramses schwieg. Seinen Neffen nicht aus den Augen lassend, fuhr Sethos fort: »Ich hatte nie vor, zu euch ins Haus zu kommen. Das ist wahr, ob du es glaubst oder nicht. Ich wollte heimlich mit dir kommunizieren und einen Treffpunkt auf neutralem Boden ausmachen, aber dann kam mir der Malariaanfall dazwischen. Ich glaube allerdings nicht, dass man mich hierher verfolgte, aber … so oder so, das Kind ist in den Brunnen gefallen. Egal was in diesem Dokument steht, eine ganze Reihe von Leuten ist erpicht darauf – derart erpicht, dass man erneut auf euch losgehen wird, wenn man mich nicht zu fassen bekommt.«
Ich räusperte mich. »Verzeih mir, wenn ich das sage, aber das ist die absurdeste Geschichte, die ich je gehört habe.«
Sethos’ ausgemergeltes Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Ich fasse das als Kompliment auf, Amelia. Immerhin sind dir im Laufe der Jahre eine ganze Menge absurder Geschichten zu Ohren gekommen.«
»Ganz ohne Scherz«, ereiferte ich mich, »deine klingt ziemlich nach Sensationsmache. Geheimbünde,
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