Amelia Peabody 18: Das Königsgrab
eingestellt und sie überdies gleich mitgebracht. Bei seiner Ankunft waren wir alle zu Hause: Nefret hatte Patienten und Ramses mühte sich weiterhin mit Sethos’ mysteriösem Dokument ab. Ich bat Fatima, unseren Sohn zu holen, und begrüßte die Neuankömmlinge.
»Ich habe es dir ja gleich gesagt, Peabody! Die beiden passen hervorragend zu uns«, tönte der Professor. »Ihre Zimmer sind doch sicher schon vorbereitet, oder?«
»Wie ich dir schon gesagt habe, Emerson, wohnen sie bei Cyrus«, gab ich zurück. Ich war die Gefasstheit in Person. So erwähnte ich mit keinem Wort, dass mein Gemahl es versäumt hatte, mir zu telegrafieren, dass sie mit ihm herkämen. »Ich werde Katherine umgehend benachrichtigen, dass sie hier sind. Wenn Sie sich frischmachen möchten, Mademoiselle Malraux, Fatima zeigt Ihnen das Gästezimmer und bringt Ihnen Handtücher und dergleichen.«
»Oh bitte, Mrs Emerson, seien Sie doch nicht so förmlich.« Die junge Dame riss die Augen auf, dass man Angst haben musste, sie würden ihr gleich aus dem Kopf fallen. Aber vermutlich war ihr das gar nicht bewusst. »Ich hoffe doch sehr, Sie – alle – nennen mich Suzanne.«
Das Nuscheln von Mr Farid reimte ich als seinen Vornamen zusammen. »Also dann, Suzanne und Nadji«, sagte ich lächelnd.
Nachdem das geklärt war, lud ich die jungen Leute ein, mit uns zusammen zu Mittag zu essen. Teils aus Gastfreundschaft, teils aus schlichter Feigheit. Ich hatte nämlich hin und her überlegt, wie ich es Emerson schonend beibringen könnte, dass sein Bruder bei uns war, und war zu keinem schlüssigen Ergebnis gekommen. Die Einladung erlaubte mir, die brisante Enthüllung noch ein bisschen hinauszuschieben.
Die junge Dame erging sich in gallischer Begeisterung über das Haus und seine Einrichtung. »Ich habe Ihren wunderhübschen Garten gesehen, Mrs Emerson. Darf ich später vielleicht einen Spaziergang machen? Ich liebe Blumen über alles.«
»In den nächsten Wochen haben Sie bestimmt noch reichlich Gelegenheit, sich den Garten anzuschauen«, erwiderte ich. »Tut mir leid, dass wir Sie nicht bei uns unterbringen können, aber hier geht es immer sehr lebhaft zu. Und Mr Vandergelts Haus ist wesentlich komfortabler als unseres.«
»Was gibt’s Neues aus Kairo?«, fragte Ramses, obwohl Emerson uns das ohnehin brühwarm mitgeteilt hätte. »Carter ist dort und Carnarvon auf dem Weg hierher«, antwortete Emerson. Damit erschöpfte sich sein Interesse an Kairo. »Ich hab Carter zufällig getroffen. – Was hast du da eben gemeint, Peabody?«
»Ach nichts, mein Schatz. Erzähl ruhig weiter.«
»Mehr gibt’s da nicht zu erzählen«, versetzte Emerson verschnupft. »Außer dass Carter seine sämtlichen Freunde besucht, versteckte Hinweise fallen lässt und geheimnisvoll tut, wenn sie Genaueres wissen wollen. Eine famose Methode, um eine Entdeckung geheim zu halten.«
»Wieso sollte er das noch?«, fragte ich. »Was er Lord Carnarvon telegrafiert hat, pfeifen doch inzwischen schon die Spatzen von den Dächern. Vermutlich hat Seine Lordschaft sich einer Reihe von Freunden anvertraut, und die wiederum haben es unter dem Siegel der Verschwiegenheit ihren Freunden erzählt. So etwas lässt sich nie lange geheim halten.«
»In Archäologenkreisen kursieren zahllose Gerüchte«, schaltete sich Suzanne unvermittelt ein. »Stimmt es, Mrs Emerson, dass Mr Carter ein intaktes Grab lokalisiert hat? Der Professor wollte sich nicht näher dazu äußern.«
»Mmmh … tja«, knurrte Emerson, wild in seinem Essen herumstochernd. »Ich stehe eben zu meinem Wort.« Nadji, der bislang wenig zu der allgemeinen Unterhaltung beigesteuert hatte, blickte auf. Sein Englisch war ausgezeichnet und nahezu akzentfrei. »Die Neuigkeit hatte sich schon vor Ihrer Ankunft wie ein Lauffeuer verbreitet, Sir. Sie brauchen sich mithin keinerlei Vorhaltungen zu machen.«
»Aber Sie haben das Grab schon gesehen.« Suzanne machte große Augen. »Bitte erzählen Sie uns davon. Wie sieht es aus?«
»Ich kann nur hoffen, dass Howard Seiner Lordschaft nicht zu viel versprochen hat«, erwiderte ich. Ich sah keine Veranlassung zur weiteren Diskretion, nachdem Howard und Carnarvon es damit auch nicht so genau nahmen, und fuhr fort: »Bislang hat er einen versiegelten Durchlass entdeckt, hinter dem sich anscheinend ein vermauerter Gang befindet. Das Ganze lässt sich durchaus positiv an, aber man kann nie wissen, nicht wahr? Ich tippe jedoch darauf, dass wir bald Klarheit gewinnen.
Carnarvon wird
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