Amelie und die Liebe unterm Regenschirm
wie verrückt in die Hände klatschte.
Zum Mittagessen führte er sie ins Sacher . Amelie war noch nie zuvor im Restaurant des berühmten Hotels gewesen. Die Kellner scharwenzelten um Daniel herum.
»Herr Doktor hin, Herr Doktor her – ich habe nicht gewusst, dass du eine bekannte Größe bist«, neckte sie ihn.
»Und ich hätte nie gedacht, dass du ein solches Aufsehen erregen würdest«, parierte er.
Amelie sah sich um. Tatsächlich wurden sie von den Gästen an den umliegenden Tischen mehr oder minder ungeniert gemustert.
»Habe ich Ruß auf der Nasenspitze? Sitzt ein Kanari auf meiner Schulter?«, flüsterte sie Daniel zu.
»Nein, du bist nur wunderschön. Man sieht dir an, dass du die ganze Nacht geliebt worden bist und bald wieder geliebt werden wirst.« Voll Vergnügen sah er ihr Gesicht rosig werden und hob sein Glas.
»Auf dich, Amelie Lenz, auf die Frau, die Daniel Aloys August Bartenberg glücklich macht.«
Amelie ließ ihr erhobenes Glas wieder sinken. »Aloys August? Die beiden hast du mir bisher verschwiegen.«
»Bin alles ich.« Wenn Daniel Wein trank, tat er es ohne das gewisse Zungenrollen und leise Nachschmatzen, das den Kenner verraten sollte und das Amelie stets ein wenig lächerlich fand. Er nahm einen ordentlichen Schluck und nickte zufrieden. »Daniel heiße ich, weil meine Mutter eine Schwäche für den biblischen Daniel, den in der Löwengrube, hatte. Am Aloys ist mein Großonkel Aloys, der älteste Bruder meines Großvaters Richard schuld. Er war Offizier, soll blendend ausgesehen haben und war mit Sicherheit tollkühn – er starb in einem Duell. Den August verdanke ich meinem Urgroßvater.«
»Dem du so ähnlich siehst?«
»Eben dem. Er war der erste Bartenberg, er gewann, wovon die meisten Männer seiner Zeit träumten, und er endete mit nichts. Seine Geschichte hat mich schon begeistert, als ich ein kleiner Bub war. Mein Vater musste sie mir immer wieder erzählen und durfte dabei kein Detail weglassen oder verändern.«
»Erzählst du sie mir?«, bat Amelie.
Daniel legte seine Stirn in Falten. »Du meinst, so wie mein Vater sie mir erzählt hat, als ich ein Kind war?«
»Ja, genauso.« Sie neigte sich vor, stützte die Ellbogen auf den Tisch, machte aus ihren Handflächen eine Schale, legte ihr Kinn hinein und sah ihn voll gespannter Erwartung an. »Los«, drängte sie, als er zögerte.
»Es war einmal ein armer Schlosser. Der hieß Josef Bartl und lebte vor mehr als hundert Jahren in der Eisenwurzen, einem Stück Land in den steirischen Alpen. Und weil der Josef in seiner Heimat keine Arbeit fand, ging er auf die Walz…«
Der Kellner trat an den Tisch und fragte, ob die Herrschaften schon gewählt hätten. Daniel bestellte und wandte sich Amelie wieder zu.
Josef Bartl lässt sich um etwa 1830 im böhmischen Riesengebirge nieder, gründet 1835 seine eigene Werkstatt, und weil er ein genialer Erfinder ist, gelingt es ihm, eine Stahllegierung zu entwickeln, die für moderne Artilleriegeschosse und druckfeste Eisenbahnschienen essenziell ist. Er errichtet mehrere Fabriken und stirbt als vermögender Mann. Zum ganz großen Reichtum bringt es freilich erst sein Sohn August, geboren 1844, ein hemdsärmliger, sinnenfroher Mensch, dem zunächst alles, was er anpackt, mühelos glückt. Er weitet das väterliche Unternehmen gewaltig aus, wird k.u.k. Armeelieferant und Eisenbahn-Zulieferer, ein Großindustrieller wie er im Buche steht, eine Art böhmischer Nabob. 1888 heiratet er die blutjunge, bettelarme, aber entzückend hübsche Comtesse Fanny Chorinsky. Ein ungleiches Paar, aber eine echte Liebesheirat, die beiden vergöttern einander, leben in Saus und Braus, haben fünf Kinder. 1892 wird August Bartl auf Vorschlag des Kriegsministers von Kaiser Franz Joseph I. mit dem Prädikat Edler von Bartenberg geadelt und 1908, nachdem er ein Waisenhaus gestiftet hat, in den Freiherrnstand erhoben, was ihn zum Mitglied des Herrenhauses macht. Indes, dem kometenhaften Aufstieg des jungen Hauses Bartenberg folgt sein jäher Absturz. Nach Ende des Ersten Weltkriegs bricht das Unternehmen zusammen, Bartenbergs verarmen rapide. Fannys Lieblingssohn Aloys kam bereits 1913 durch das besagte Duell um, Tochter Louise geht 1915 ins Kloster, August und Fanny sterben 1920 an der Spanischen Grippe. Ihre jüngste Tocher Josepha, die die Eltern gepflegt hat, steckt sich quasi an deren Sterbebett an und folgt ihnen ins Grab. Dem Kahlschlag entgehen Tochter Ida, die 1926 eine Vernunftehe
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