Amelie und die Liebe unterm Regenschirm
dabei, wenn sie läute.
»Doch«, beharrte Daniel. »Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass du vor der Tür stehst, als seist du irgendein Gast.«
Sobald sie im Salettl war, rief Amelie die Eltern an.
Sie würden den Abend zu Hause verbringen, nur sie beide, ja, bestätigte Lizzi. Das sei schon in Ordnung, das täten sie ja nun schon seit Jahren. Heuer sei es nur insofern anders, als Amelie nicht irgendwann gegen Morgen nach Hause kommen werde. Naja (kleiner elegischer Lacher), hätte auch sein Gutes, man müsse nicht wach liegen und warten, bis man das Kind hereinschleichen höre und in Sicherheit wisse.
Das Gespräch erfüllte Amelie mit einer jähen Zärtlichkeit für die Eltern. Sie sah sie vor sich in einem Haus, das zu groß für sie wurde, das sie nicht mehr auszufüllen vermochten, wie alte Menschen ihre Kleider von ehedem nicht mehr ausfüllen.
Sie rief Lorenz an und fragte ihn, ob er Blumen für die Eltern besorgen und sie in ihrem Namen in Anif vorbeibringen könne. Ein inniger Strauß solle es sein – Lorenz wisse schon, was sie damit meine. Und nicht irgendein Bote solle ihn abliefern, sondern jemand, der Lizzi und Josef nahe stehe, das sei der springende Punkt.
»Ich weiß, es ist eine Zumutung, würdest du trotzdem…?«
Er würde, versprach Lorenz nach kurzem Zögern. Sie quatschten eine Weile in der ihnen eigenen Vertrautheit; über Amelies Auszug aus dem Laden, über die neue Mieterin, über die Offizine Lenz und Lorenz’ Heiratspläne.
Schon hatten sie sich einen guten Rutsch und haufenweise Glück für’s kommende Jahr gewünscht, als Lorenz fragte: »Sag mal, Püppchen, wer oder was hindert dich eigentlich, Silvester in Salzburg zu feiern?«
»Der neue Mann in meinem Leben.«
»Hm«, machte Lorenz. »Wo wirst du mit diesem Mann feiern?«
Amelie kicherte. »In seinem Bett«, sagte sie keck.
Eine Weile war er still. »Ich hoffe, du weißt, was du tust, Püppchen«, murmelte er schließlich.
Amelie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er jetzt keinen Scherz hören wollte. Sie kicherte nicht mehr, als sie ihm versicherte: »Ich denke, ich weiß es, Lorenz, ja.«
Ehe sie sich auf den Weg zu Daniel machte, läutete sie bei den Zadrazils. Der Mann der Hausmeisterin öffnete die Tür. Ob die Frau Pepi nicht da sei, fragte Amelie.
»Oba jo.« Zadrazil winkte sie herein. »Kumman S’ eina, Fräu’n Lenz, kumman S’, setzen S’ ihna, i, hoi d’Frau, sie is in Bod, bein Hoa ei’drahn, wei mir gengan heit aufn Silvesterball von Sterbeverein.« Er schlurfte davon, »Pepi, kummst? Es Fräu’n Lenz wa do«, hörte Amelie ihn rufen.
Der Kopf der Josefine Zadrazil war mit kleinen bunten Lockenwicklern gespickt. Es ließ sie irgendwie jünger aussehen. Ihr Gesicht, von dem viele Hausbewohner behaupteten, es wirke verschlagen, zeigte nichts als Freude über die unerwartete Anwesenheit des Fräulein Lenz.
»I wa scho ume kumman, a guats neichs Joa winschen.« Sie wischte ihre durchaus saubere Hand in die Schürze, ehe sie sie Amelie reichte. »Setzn S’ Ihna«, bat sie, »setzn S’ Ihna.«
Amelie lehnte dankend ab, sie sei verabredet, sie wolle der Frau Pepi nur einen guten Rutsch und ein gesundes, gutes neues Jahr wünschen. Und weil sie doch demnächst in Pension gehe…
Sie zog ein Schächtelchen aus ihrer Manteltasche und hielt es der Frau entgegen.
»Fir mi?«, Josefine Zadrazil sah drein wie ein überraschtes Kind. Langsam streckte sie die Hand aus, nahm die Schachtel entgegen und sah darauf nieder. »Soi i’s aufmochn?« Als Amelie nickte, öffnete sie die Schachtel mit Vorsicht. Die kleine kleeblattförmige Brosche aus Lilo Platzers Werkstatt lag drin. Die Hausmeisterin starrte darauf, als sehe sie nicht recht.
»Für Sie, Frau Pepi, weil wir eine so gute Zeit miteinander hatten.«
Die Beschenkte starrte Amelie fassungslos an, ihre Mausäuglein wurden feucht, sie breitete die Arme aus und holte das »Fräu’n« Lenz an ihren Busen. Die für Josefine Zadrazil typische Duftnote, eine Mischung aus Küche, Keller und Putzmittel, stieg Amelie in die Nase. »Ich werde Sie vermissen, wenn Sie in Pension sind, Frau Pepi«, murmelte sie und wusste, dass es so sein würde.
Im Haus der Bartenbergs war es zu ebener Erde dunkel, aber das Licht am Eingang brannte, und der erste Stock war hell erleuchtet. Es gelang Amelie auf Anhieb, den fremden Schlüssel in das fremde Schloss zu stecken.
Daniel musste sie gehört haben. »Hallo, komme rauf, ich bin eben mit allem fertig
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