Amelie und die Liebe unterm Regenschirm
von Farbe wie Veilchen« sah.
Amelie wusste genau, was sie wollte. »Nein, keine Rosen, weiße Tulpen. Vierzig Stück, locker gebunden. Ohne Bänder und artfremdes Grünzeug. So wie Gott sie wachsen ließ.«
Am Anfang ihrer Beziehung hatten Ludwig und Uli eine Etage in einer Hietzinger Villa bewohnt. Vor ein paar Jahren hatten sie eine Eigentumswohnung in einer engen Gasse der Altstadt erworben. Ein Duplex in einem Barockhaus, ausgebauter Dachboden. »Wer in dieser Stadt etwas sein möchte, lässt sich ein Dach ausbauen«, hatte Uli bei der Einstandsparty gefeixt. »Ein Grund, sofort wieder zu verkaufen«, hatte Ludwig gebrummt.
Eine schicke, großzügige Wohnung. Sparsam eingerichtet. Beige- und Brauntöne, moderne Kunst. Salon, Speisezimmer, Küche, plus Ludwigs Arbeitszimmer, Schlafzimmer und Bad in der unteren Etage. Über eine steile, gerade Stiege erreichte man Ulis Suite. Sie war kleiner als Ludwigs: Studio, Schlafzimmer, Bad. Aber vom Studio gelangte man auf eine riesige Terrasse mit feenhaftem Blick über die Dächer von Wien und einem Topfpflanzenbestand, der jedem Palmenhaus zur Ehre gereicht hätte. Die getrennten Schlafzimmer hatten Amelie anfangs zu denken gegeben, Gedanken, die sie sich bald verbot. Ulis Sexualität stand zwar nicht außerhalb ihres verstandesmäßigen, wohl aber außerhalb ihres gefühlsmäßigen Begriffsvermögens.
Die Art, wie die beiden Männer im Alltag miteinander umgingen, beschäftigte Amelie indes durchaus. Gerade jetzt. In einem cremefarbenen Daunensofa nahezu versinkend, saß sie mit Ludwig im Salon, während Uli in der Küche rumorte. Ludwig trug Wochenendkleidung. Offener Kragen, weiche, weite Cordhosen, gute Qualität, aber nicht schick, sondern vor allem bequem. Breit, fast wuchtig lehnte er in einem Fauteuil, seine Arme baumelten entspannt zu beiden Seiten des Sitzmöbels. Lässig, dachte Amelie. Ein absolut viriler Mann.
Uli trug Jeans, einen körpernahen Rollkragenpulli und eng um die Hüften gewickelt einen Küchenschurz. Eben war er, um etwas zu holen, die Stiege zum oberen Stockwerk hinauf und gleich wieder heruntergesprungen. »Also für unsere alten Tage ist die Treppe zu steil angelegt, da werde ich hier unten Quartier nehmen müssen«, sagte er und mimte Atemlosigkeit. Sein Blick galt Ludwig und schien Amelie leicht kokett. Ludwig reagierte darauf nicht. Souverän saß er da, die kräftigen Hände blieben ruhig, er fuhr fort, Amelie zu erläutern, weshalb er zurzeit lieber Theater in Deutschland machte als in Österreich.
Uli die untertane Hausfrau und Ludwig der dominante Hausherr. So kam es Amelie vor. Ein wenig später korrigierte sie dieses Bild. Auf dem schwer beladenen Büchertisch hatte sie die Ausgabe des Struwwelpeter entdeckt, die Uli bei ihr gekauft hatte. »Hast du Spaß daran?«, fragte sie Ludwig.
Er griff nach dem Buch. »Seit meiner Kinderzeit hatte ich die Reime nicht mehr gelesen. Ja, sie machen mir Spaß.« Er blätterte, bis er die Tintenbuben fand, und sagte lächelnd: »Uli nennt mich neuerdings Ludewig, wenn er mich vor einer nahenden Krise warnen will.« Er wandte sich nach Uli um und sah mit besitzergreifender Zärtlichkeit in seine Richtung. Uli fing den Blick auf und strahlte zurück. Innig, einander zugehörig, dachte Amelie und beneidete das Paar.
Das Essen war vorzüglich. Hors d’oeuvres aus dem benachbarten Gourmettempel, selbstgemachte Pasta, Salat und Käse. Französischer Weißwein, den man seiner Leichtigkeit wegen nicht ernst nehmen musste, was dazu führte, dass die Stimmung zunehmend heiter wurde. Amelie fühlte sich wohl wie schon lange nicht. Sie hob ihr Glas, seufzte zufrieden, »schön ist es bei euch«, und setzte ohne zu überlegen hinzu. »Warum sind homosexuelle Beziehungen so viel tiefer und stabiler als heterosexuelle?«
Als es raus war, erschrak sie ein wenig und blinzelte besorgt in Ludwigs Richtung. Kein Grund zur Sorge, Ludwig nahm die Bemerkung nicht krumm, er wiegte den Kopf und gab Antwort. »Ich denke, was Tiefe und Stabilität angeht, halten sich die Beziehungen von Heteros und Homos die Waage. Homos outen sich bloß weniger bedenkenlos als Heteros. Drum merkt man es nicht gleich, wenn bei ihnen die Fetzen fliegen.«
Nun, da das Thema Beziehungen einmal angeschnitten war, lag die einschlägige Frage an Amelie in der Luft. Und Ludwig fackelte nicht lange. »Ich hörte von Uli, dass du mit dem Deutschen Schluss gemacht hast. Bist du jetzt frei für Neues? Oder suchst du immer noch nach deinem
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