Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Amelie und die Liebe unterm Regenschirm

Titel: Amelie und die Liebe unterm Regenschirm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Molden
Vom Netzwerk:
geht Mister X spazieren, Augustle. Ich bin mir ganz sicher. Aber ich gebe auf.‹
    Sie zückte den Schlüssel, öffnete den Rollbalken, holte August aus der Auslage und setzte ihn auf den Schreibtisch. »Ich will mich nicht mehr verrückt machen. Ich will endlich leben. Ich lasse das Suchen sein und schließe hiemit die Akte X!«, erklärte sie dem Bären, während sie ihn von Maske und Barett befreite.
    Aus einem der Schränke kramte sie einen schwarzen Spitzenschleier, den sie hier einmal abgelegt hatte, hervor, legte ihn August um die Schultern, bemalte ein Kärtchen mit einem Trauerrand und dem nachtschwarzen Wort »Ende« und hängte es August um den Hals.
    Als der Teddy schließlich wieder auf seinem Posten in der Auslage saß und der Rollbalken geschlossen war, hatte sich die bewusstseinsverändernde Wirkung des Alkohols verflüchtigt. Ernüchtert trabte Amelie nach Hause. Den Abend verschlief sie.
    Am nächsten Morgen läutete es am Salettl Sturm. Amelie öffnete. Vor der Tür stand Josefine Zadrazil in höchster Erregung und schrie: »I’ woa grad einkauf’n, do siach i’ den Bär in Trauer! Is’ wer g’sturb’n?«

8
    Es wurde Frühling. Aber er rauschte nicht. Weder wettermäßig noch in Amelie. Die Forsythien hatten schon Knospen angesetzt, als die Sonne wegblieb. Tagelang war es weder warm noch kalt, es bewegte sich nichts, auch die Forsythien blieben deshalb auf halbem Weg stecken.
    Amelie fehlte der Auftrieb. Sie bemühte sich redlich ums Geschäft, aber die Stammkunden schienen ihre Sammelwut auf Eis gelegt zu haben, es lief rein gar nichts. Und die Laufkundschaft konnte man überhaupt vergessen.
    Einmal betrat eine alte Dame den Laden. Sie öffnete die Tür so zaghaft, dass das Spielwerk nicht zwitscherte, sondern nur ein paar müde Piepser von sich gab. Die Gesichtsfarbe der Frau war fahl, ihre Hände waren zittrig, ein hinfälliges Geschöpf, das sich für seine bloße Existenz zu entschuldigen schien. Sie sei den ganzen Winter über krank gewesen, darum komme sie erst heute, sagte die Dame leise. Ob Frau Lenz vielleicht ihre Puppe habe verkaufen können? Amelie konnte sich an keine Puppe erinnern.
    O doch, Frau Lenz sei so freundlich gewesen, die Puppe im Herbst in Kommission zu nehmen, obwohl sie leicht beschädigt sei.
    »Aber ja.« Amelie hieb sich an die Stirn. »Natürlich, jetzt weiß ich’s wieder, die Puppe hatte einen Sprung am Kopf.« Sie sah die alte Dame an und brachte es nicht übers Herz, ihr zu sagen, dass ihre Puppe chancenlos in einem der Schränke unter den verspiegelten Wänden vor sich hin dämmerte.
    »Wir hatten Glück, gnädige Frau«, sagte sie munter. »Ihre Puppe ging vor Weihnachten weg. Sie brachte halt leider kein Vermögen.«
    Amelie machte sich am Schreibtisch zu schaffen und tat, als müsse sie in ihren Aufzeichnungen nachsehen. »Hier haben wir’s. Um tausend Schilling konnte ich sie verkaufen.« Sie holte ihre Börse hervor. Ein Tausender war noch drin. Sie reichte ihn der alten Dame, deren Gesicht vor Freude einen rosigen Schimmer kriegte.
    »Und Ihre Kommission, Frau Lenz?«
    »Die habe ich bereits einbehalten«, versicherte ihr Amelie.
    Es war das einzige Ereignis während dieser trüben Frühlingstage, das Amelie froh stimmte. In deiner finanziellen Lage tausend Schilling zu verschenken, ist bescheuert, sagte ihr rationales Über-Ich. Aber das war im Vergleich zum emotionalen sowieso unterentwickelt. Also stimmte sie der Gedanke an die alte Dame weiterhin froh.
    Davon abgesehen, blieb die beherrschende Tonart in ihrem Dasein Moll. Ihre zaghaften gesellschaftlichen Ambitionen waren wieder versickert. Anfang Februar war sie dreiunddreißig Jahre alt geworden. Feiern seitens der Familie hatte sie sich verbeten. Nur Uli durfte ihr gratulieren. Er bestand darauf, sie ins ungarische Beisl auszuführen.
    »Ich fühle mich uralt. Wie eine fünfzigjährige Witwe, deren letztes Kind eben ausgezogen ist. Ich bin einsam«, klagte sie.
    Uli reagierte ärgerlich. »Wie auch nicht«, fauchte er, »du sitzt in deinem Laden, restaurierst ein Puppenhaus und siehst keine Sau. Das kann’s doch nicht sein. Du musst dich dahinterklemmen, unter Menschen gehen, Clubs, Konzerte, Discos – was weiß ich.«
    »Mit vollen Hosen ist leicht stinken«, murmelte Amelie. Sie bezog sich auf Ulis bevorstehende Abreise. Für zwei Monate würde er mit Ludwig nach Berlin gehen, Berger-Hahn im Doppelpack, einen Horvath würden sie inszenieren. »In deinem Beruf kannst du gar nicht anders,

Weitere Kostenlose Bücher