América
vorherbestimmten Trockenheit vorenthalten wurde, sitze ich in meinem Arbeitszimmer und betrachte die kleinen Objekte, die ich von meinen täglichen Wanderungen mitgebracht habe - die Schwanzfedern eines Cooper-Falken, den versteinerten Trilobiten, der aus einer Zeit stammt, als der Boden unter meinen Füßen urzeitlicher Meeresgrund war, die Eulengewölle, Skelette von Mäusen und Taschenratten, die abgestreifte Haut einer Indigoschlange -, und mein Blick bleibt schließlich an dem Glas mit Coyotenkot hängen. Dort steht es, auf dem Regalbord über meinem Schreibtisch, zwischen der mexikanischen Rotbein-Tarantel und der bleichen, in Formalin eingelegten Fledermaus: ein unauffälliges Glas mit einem ausgetrockneten haarigen Knäuel, das der beiläufige Betrachter für ein Stückchen Fell halten könnte statt für die Losung eines unserer klügsten und einfallsreichsten Großraubtiere, jenes Wesens, das die Indianer als den »Gauner« verehrten. Und warum verweilt mein Blick heute bei diesem Objekt und nicht bei einer spektakuläreren Manifestation der Wunder der Natur? Nun, als Erklärung mag genügen, daß mich der Coyote in letzter Zeit sehr beschäftigt.
Dieses Tier ist seiner Umwelt geradezu ideal angepaßt; es kann weite Strecken ohne Wasser zurücklegen und deckt den Löwenanteil seines Flüssigkeitsbedarfs mit seiner Beute, verschmäht aber auch keineswegs Swimmingpools und Rasensprenger. Ein ganz bestimmter Coyote, der sich am Rand meiner Wohnanlage in den Hügeln oberhalb des Topanga Creek und des San Fernando Valley herumtreibt, hat sogar gelernt, die Bewässerungsrohre aus Plastik durchzunagen, wann immer es ihm nach Wasser gelüstet. Einmal pro Woche, zuweilen öfter, ist der glücklose Wartungstechniker damit konfrontiert, daß ein Geysir aus der Xerophyten-Vegetation sprudelt, die von der Gemeinde als Feuerschutz gepflanzt worden ist. Als er mir drei abgenagte PVC-Rohrstücke vorlegt, leihe ich ihm meinen 9x35-Feldstecher und rate ihm, in der Abenddämmerung die hintere Grenze der Grundstücke zu beobachten. Und tatsächlich, noch in derselben Woche hat er den Schurken auf frischer Tat ertappt, und auf meinen Vorschlag hin bestreicht er das Bewässerungssystem auf der ganzen Länge mit einer scharfen Paste aus zerstampften Serrano-Chilis. Es funktioniert. Zumindest bis die erbarmungslos niederbrennende Sonne die Wirksamkeit der Chilis entschärft haben wird. Und dann, zweifellos noch am selben Tag, wird der Coyote sich wieder einfinden.
Eine einfachere Lösung (der die meisten Eigenheimbesitzer zuneigen, sobald einer dieser »Steppenwölfe« ins Allerheiligste ihres eingezäunten Gartens eingedrungen ist) besteht natürlich darin, die Tierschutzabteilung des Los Angeles County zu benachrichtigen, deren Mitarbeiter jedes Jahr etwa hundert Coyoten einfangen und einschläfern. Diese Lösung ist für jemanden, der sich nichts heftiger wünscht, als mit der Natur in Einklang zu leben, bisher gänzlich indiskutabel gewesen (immerhin durchstreifte der Coyote diese Hügel schon, lange bevor der Homo sapiens auf diesem Kontinent seine ersten dürftigen Spuren hinterließ), und doch hat der Autor dieser Zeilen allmählich das Gefühl, daß es irgendeine Form der Kontrolle geben muß, solange wir darauf bestehen, mit dem unbarmherzigen Wildwuchs unserer Städte und Vorstädte das Territorium des Coyoten immer weiter zu bedrohen. Wenn wir in sein Reich eindringen, warum wundern wir uns dann, wenn er auch in das unsere eindringt?
Denn Canis latrans ist vor allem eines: anpassungsfähig. Das Tier, das in dem kargen, verdorrten Biotop, in dem es sich entwickelt hat, normalerweise bis zu vier Welpen pro Wurf zur Welt bringt und ein Gewicht von bis zu elf Kilo erreicht, hat seinen Lebensraum von Alaska im Norden bis nach Costa Rica im Süden ausgedehnt und ist in sämtlichen Bundesstaaten und des nordamerikanischen Kontinents beheimatet. Inzwischen kennt man neunzehn Unterarten des Coyoten, von denen viele - vor allem dank der üppigen Nahrungsquellen, die wir ihnen unvorsichtigerweise zugänglich machen (unsere Hunde und Katzen, die hübschen Plastiknäpfe mit Fertigfutter, die gleich draußen cm der Hintertür stehen, dazu die Legionen von Ratten und Mäusen, die unsere verschwenderische Lebensart unterhält) - ein gutes Stück größer und respekteinflößender sind als die ursprüngliche Wildform und auch entsprechend mehr Junge werfen. Und die Anpassung geht weiter. Der renommierte Biologe Werner Schnitter von
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