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América

América

Titel: América Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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einschließlich unserer eigenen, Jäger oder Parasiten hervorgebracht hat. Dem Coyoten kann man keinen Vorwurf machen - er versucht nur zu überleben und die sich ihm bietenden Gelegenheiten zu nutzen. Und so sitze ich hier in meinem bequemen, klimatisierten Arbeitszimmer, starre auf eine Probe mit Coyotendreck und denke über all das Gute nach, das dieses Tier tut - an die Horden von Ratten, Mäusen und Wühlmäusen, die es vertilgt, und an den Kitzel der Wildheit, den es uns allen verschafft, und doch kann ich den Gedanken an die getöteten Haustiere nicht verscheuchen, an die verdächtigen Spuren, an das nächste Baby, das unbeaufsichtigt im Garten liegt.
    Die Coyoten jedenfalls sind auf dem Vormarsch, sie vermehren sich, um die Nischen zu füllen, siedeln sich dort an, wo das Leben am leichtesten ist. Sie sind gerissen, scharfsinnig, hungrig und nicht aufzuhalten.

6
    Das Da-Ros-Objekt war ein Klotz am Bein. So wie der Markt momentan aussah, war es praktisch unverkäuflich, außer man ging mit dem Preis noch beträchtlich herunter, und obwohl das Haus für Kyra einen besonderen Zauber besaß, fragte sie sich allmählich, ob es wohl je einen potenten Käufer ebenso bezaubern würde. In den vergangenen zwei Wochen hatte es sich kein Mensch auch nur ansehen wollen, und das tägliche Auf- und Zuschließen wurde allmählich zur emotionalen Belastung. Sie hatte den Westec-Wachdienst wegen der beiden Männer benachrichtigt, die ihr auf dem Grundstück begegnet waren, und Delaney hatte darauf bestanden, daß sie eine Anzeige beim Sheriff einreichte, aber nichts war dabei herausgekommen. Die Westec-Leute hatten sich umgesehen und keinen Hinweis gefunden, daß die Männer noch einmal dagewesen waren. Sie glaubten nicht, daß irgend jemand auf dem Gelände kampiert hatte, jedenfalls nicht in letzter Zeit, obwohl sie tatsächlich einen Ring aus rußgeschwärzten Steinen im Gebüsch an der nordwestlichen Ecke des Grundstücks entdeckten. »Aber wissen Sie, das Ding könnte auch schon seit Jahren da sein«, erklärte ihr der Westec-Mann am Telefon, »so etwas ist immer schwer festzustellen.«
    Kyra genügte das nicht. Sie schärfte dem Gärtner ein, ein Auge offenzuhalten, und natürlich kam sie zweimal am Tag selbst vorbei, wenn sie am Morgen die Alarmanlage ausschaltete und am Abend wieder anmachte. Was mittlerweile ein ziemlicher Streß war. Sie hatte nicht direkt Angst, jetzt nicht mehr, aber jedesmal, wenn sie auf die Einfahrt rollte, war da dieses flaue Gefühl im Bauch - fast so, als hätte ihr jemand einen Schlag in die Magengrube verpaßt -, und sie mußte sich zum Lüftungsschlitz der Klimaanlage vorbeugen und in hastigen Zügen nach Luft schnappen, bis sich ihre Atmung wieder normalisierte. Die Begegnung mit diesen Männern - diesen Landstreichern oder Arbeitslosen oder was immer sie waren - hatte sie mehr erschüttert, als sie zugeben wollte, wesentlich mehr. Sie hatte ihr Leben immer im Griff gehabt und war es gewohnt, sich durchzusetzen. Sie vertraute auf ihr Aussehen, ihre Intelligenz und ihre sorgfältigen Vorbereitungen, die jeden anderen, ob Mann oder Frau, zur Verzweiflung getrieben hätten, und sie fühlte sich jeder Situation gewachsen, aber an jenem Abend hatte sie einsehen müssen, wie nutzlos all das im Grunde war.
    Sie hatte Angst gehabt. Wie noch nie zuvor im Leben. Hätte sie nicht blitzschnell reagiert - die Lüge mit ihrem Mann, der fiktive Bruder, Cocktails, so etwas Absurdes -, wer weiß, wie es ausgegangen wäre? Sicher, vielleicht war auch alles ganz harmlos gewesen - möglich, daß es doch nur Wanderer waren, wie sie behauptet hatten -, aber ihr Instinkt sagte ihr etwas anderes. Sie hatte diesem Kerl in die Augen gesehen - dem großen, dem mit der Mütze - und hatte gewußt, daß alles passieren konnte.
    Darüber dachte sie nach, als sie die gewundene Straße zum Haus der Da Ros hinauffuhr, in Eile und etwas verdrossen über den Ärger mit diesem Objekt, das sie seinerzeit so freudig übernommen hatte. Inzwischen machte es fast mehr Mühe, als es wert war. Und ausgerechnet heute abend. Es war fast sieben, sie war noch nicht zu Hause gewesen, dabei hatte sie Erna Jardine und Selda Cherrystone versprochen, ihnen ab acht zu helfen, die Nachbarn von der Sache mit der Mauer zu überzeugen.
    Dahinter steckte Jack. Er hatte sie angerufen, zwei Tage nach Osberts Tod, als sie noch unter Schock gestanden hatte. Zusehen zu müssen, wie ihr Schoßhund verschleppt wurde, direkt vor ihren Augen, und das

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