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América

América

Titel: América Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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herauszuwinden, und sie wußte, daß für mindestens sechs Monate niemand mehr Lust haben würde, sich hier oben etwas anzusehen - die Leute hatten ein kurzes Gedächtnis, das ja, aber im nächsten halben Jahr wäre jedes Immobiliengeschäft in dieser Gegend, und sei es nur ein Stellplatz für einen Pferdeanhänger, ungefähr so populär wie Zähneziehen. Aber wenn es das Haus nicht allzu schlimm erwischt hatte, mußte sie die Versicherung der Da Ros dazu bringen, umgehend für eine Neugestaltung der Landschaft zu sorgen, und vielleicht ließe sich das Feuer auch als Verkaufsargument verwenden - in diesem Leben würde es hier bestimmt nicht mehr brennen, und das war ja auch eine Art Versicherung ...
    Und dann erreichte sie die Kuppe des Hügels und die Senke, wo die Garage gewesen war, und sie sah die hohen Kamine des Hauses nackt vor den kahlen Bergen und dem Krater des Meeres aufragen: der Rest war weg. Die ledergebundenen Bücher, die Stilmöbel, die Gemälde und die Teppiche, der Marmor, der Whirlpool und die achteinhalb Badezimmer - weg, alles weg. Selbst die Steinmauern waren unter der Last des einstürzenden Daches zerbröckelt, der Schutt lag so weit verstreut, daß es aussah, als wäre das Haus in die Luft gesprengt worden.
    Sie war darauf vorbereitet gewesen - sie hatte so etwas früher schon gesehen -, trotzdem war es ein Schock. Die ganze Schönheit und Perfektion, all der erlesene Geschmack, was war das jetzt wert? Sie brachte es nicht übers Herz, näher zu gehen - und wozu auch? Wollte sie wirklich sehen, wie die Kristallüster jetzt zu einem schmutzigen Klumpen Quarz geschmolzen waren, oder unter einem halbverkohlten Balken das Bruchstück einer Skulptur entdecken? Sie wandte sich ab - sollten sich die Versicherungsgutachter darum kümmern, es war deren Sache - und ging den langen Weg zum Tor zurück, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Ihr zweites Objekt hier oben, ein Bau im zeitgenössisch mediterranen Stil auf einem Hektar Grund mit Pferdestall und Koppel, war völlig unversehrt, keine einzige Schindel fehlte. Warum war nicht statt dessen dieses Haus verbrannt? Es war ein exzellenter Besitz, an einer Privatstraße gelegen und mit herrlicher Aussicht in alle Richtungen, aber nichts Besonderes, nichts Einmaliges und Unersetzliches wie das Da-Ros-Haus. Was für eine Vergeudung, dachte sie und stieß wütend den Schuh in die Asche, verbittert, erzürnt, zum Kotzen war das alles. Das hatten diese Mexikaner angerichtet. Illegale. Rüpel, die ihre Mützen verkehrt herum auf dem Kopf trugen. Schlichen sich über die Grenze, machten die Schulen kaputt, raubten Eigenheime aus und bedienten sich gratis bei der Wohlfahrt, und als wäre ihnen das noch nicht genug, brannten sie jetzt alles nieder. Sie waren wie die Barbaren vor den Toren Roms, nur daß sie schon drinnen waren, den Bach verdreckten und in die Wälder schissen, Leute bedrohten und alles mit Graffiti vollsprühten - wo sollte das bloß enden?
    Sie hatten die zwei Mexikaner wegen des Feuers verhört - dieselben, die diese Haßparole hier auf die Mauer gesprayt hatten -, sie aber aus Mangel an Beweisen freilassen müssen. Das war wirklich ein Witz: man konnte sie nicht einmal abschieben, weil Polizei und Einwanderungsbehörde ihre Daten nicht miteinander vergleichen durften. Aber sie waren es gewesen, das wußte sie, als hätten sie trockenes Gestrüpp vor dem Haus zusammengetragen, es mit Benzin übergössen und dann in Brand gesteckt. Es war unglaublich. Unfaßbar. Als sie zu ihrem Auto kam, war sie so erregt, daß ihre Hand zitterte, während sie auf dem Telefon die Büronummer eintippte.
    Darlene meldete sich sofort, ein weiches, professionelles Flöten: »Mike Bender Realty.«
    »Ich bin's. Kyra.«
    »Oh. Hallo. Alles in Ordnung?«
    Kyra starrte durch die Windschutzscheibe auf die Ödnis rings herum, ein verdorbener Grundstückswert, ein definitiv verdorbener, und sie zitterte immer noch vor Wut, einer Wut, gegen die ihre Entspannungskassetten nicht die geringste Chance haben würden, und sie ließ sie an der Telefonistin aus. »Nein, Darlene«, sagte sie, »es ist nicht alles in Ordnung. Wenn du es wirklich wissen willst: alles ist im Arsch.«
    Am Sonntagnachmittag brachte Delaney Kit zum Flughafen, und es war nach vier, als er mit Jordan nach Hause zurückkehrte. Erstaunt sah er Kyras Wagen in der Einfahrt stehen - sonntags konnten ihre Häuser immer besichtigt werden, und sie kam zu dieser Jahreszeit eigentlich selten vor Einbruch der

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