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América

América

Titel: América Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Dunkelheit heim. Er fand sie im Fernsehzimmer, es lief ein alter Schwarzweißfilm, der Ton war leise gedreht. Sie hatte ihr aktuelles Immobilienverzeichnis auf dem Schoß und sah müde aus. Jordan polterte durch den Raum und hinterließ ein flüchtiges »Hallo, Mom!« »Harten Tag gehabt?« fragte Delaney.
    Sie wandte ihm das Gesicht zu, und er sah im Licht der Lampe, wie überreizt sie war, sah den funkelnden Blick, die gerötete Nase und die Zornesfurche auf ihrer Stirn. »Das Da-Ros-Haus ist futsch«, sagte sie. »Ich bin heute nachmittag rübergefahren - sie haben endlich die Straße freigegeben.«
    Einem ersten Impuls folgend, wollte er ihr dazu gratulieren - keine abendlichen Fahrten mehr zum Abschließen, eine Sorge weniger in ihrem Leben -, doch er spürte, was für ein großer Fehler das gewesen wäre. Sie zog das gleiche Gesicht wie damals, als der Fremde seinen Hund im Auto vor dem indischen Restaurant eingesperrt hatte, und in Ermangelung eines solchen Fremden würde sie ihre ganze Munition einzig und allein auf ihn abfeuern. »Aber das wußtest du doch, oder? Ich meine, Sally Lieberman hat damals angerufen und gesagt, daß sie das Haus in den Nachrichten gesehen hat.«
    »Sie war sich nicht sicher.« Kyras Stimme war leise geworden. »Ich hatte eben noch Hoffnung, verstehst du? Dieses Haus war wirklich - ich weiß nicht, ich hab das Haus geliebt. Ich weiß, daß es nichts für dich war, aber wenn ich mir ein Haus im ganzen Los Angeles County hätte aussuchen dürfen, das wäre es gewesen. Und außerdem, nach der vielen Arbeit, die ich hineingesteckt habe, zu sehen, wie es jetzt ... ich begreife das nicht.«
    Was sollte man da sagen? Delaney war nicht besonders gut im Trösten - er empfand den Verlust, jeden Verlust, selbst zu stark. Er ging durch das Zimmer und setzte sich neben sie auf die Couch, aber er fühlte, daß er den Arm noch nicht um sie legen sollte - da war noch etwas anderes.
    »Ich kann einfach nicht fassen, daß sie sie freigelassen haben«, sagte sie plötzlich.
    »Wen?«
    »Wen wohl? Die Mexikaner. Die Kerle, die mein Haus abgefackelt haben.«
    Delaney konnte es auch nicht glauben. Er hatte sogar Jack deshalb angerufen, dem die Gelegenheit gut zupaß gekommen war, Löcher in die Überreste des sinkenden Floßes seiner liberal-humanistischen Ideale zu schießen. Was hast du denn erwartet? hatte er Delaney gefragt. Erst bietet ihr diesen Leuten den vollen Schutz unserer Gesetze, kaum daß sie die Grenze überquert haben, und dann erwartet ihr, daß sie sich selbst belasten? Wo sind die Beweise? Ja, gut, sie haben ermittelt, daß das Feuer von einem unerlaubten Lagerfeuer im unteren Cañyon ausging, und die beiden Männer wurden dabei gesehen, wie sie die Cañyonstraße hinaufgingen, auf der Flucht vor dem Feuer, so wie alle anderen auch - wo ist der Beweis, daß sie es gelegt haben? Meinst du, die geben es freiwillig zu, ohne Grund?
    Delaney war empört gewesen. Das Feuer hatte ihm echte Angst eingejagt, obwohl er wußte, daß es eine regenerative Funktion besaß, ein natürlicher und notwendiger Faktor im Zyklus der Hartlaubvegetation war und so weiter, aber hier handelte es sich nicht um ein theoretisches Modell - es ging um seinen Cañyon, sein Haus, sein Leben. Der Gedanke an den ruinierten Feiertag machte ihn rasend, an die Panik beim Packen und auf der Flucht, an die Verluste an Fauna und Flora, und alles nur, weil ein Blödmann sorglos mit Streichhölzern umgegangen war oder mutwillig gezündelt hatte. Es machte ihn rasend, und es ließ ihn hassen. So sehr, daß es ihn erschreckte. Er hatte Angst davor, was er tun oder sagen könnte, und es gab immer noch einen Teil von ihm, der sich des Vorfalls bei der Straßensperre zutiefst schämte. »Das Ganze ist Wahnsinn«, sagte er schließlich. »Der reine Wahnsinn. Aber sieh mal, es hätte noch viel schlimmer kommen können. Es geht uns gut, wir haben's überstanden. Versuchen wir einfach, das Ganze zu vergessen.«
    »Sieh dir die Da Ros an, was die alles verloren haben«, sagte Kyra, hob kraftlos das Buch auf ihrem Schoß, als drückte sie die Last all dieser Grundstücke nieder, und legte es auf den Beistelltisch. »Wie kannst du sagen: ›Vergessen wir das Ganze‹? Genau das gleiche wird in einem dieser Cañyons auch im nächsten Jahr und im Jahr danach passieren.«
    »Ich dachte, er hat sich umgebracht?«
    »Darum geht es nicht. Seine Frau lebt noch. Und ihre Kinder. Und all die Kunstwerke, die Antiquitäten - die waren unbezahlbar,

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