Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
Vom Netzwerk:
fünf Minuten untergehen, gewinnen Sie sogar eintausend Dollar. Je früher Sie Ihre Lose kaufen, desto weniger Zeiten sind schon vergeben. Möchten Sie das Info mal sehen?«
    »Klar.«
    Hinzelmann reichte Shadow eine Fotokopie. Die Rostlaube war ein altes Auto mit ausgebautem Motor und Benzintank, das im Winter draußen auf dem Eis abgestellt wurde. Irgendwann im Frühling würde das Eis auf dem See schmelzen, bis es zu dünn war, das Gewicht weiter zu tragen, und der Wagen schließlich versank. Als frühestes Datum, an dem die Rostlaube je im See versackt war, wurde der 27. Februar angegeben (»Das war im Winter 1998. Ich glaube nicht, dass man den überhaupt rechtmäßig als Winter bezeichnen konnte«), als spätestes der 1. Mai (»Das war 1950. In dem Jahr schien es, als würde der Winter erst zu Ende gehen, wenn ihm jemand einen Pfahl durchs Herz hämmerte«). Anfang April war offenbar die Zeit, in der das Versinken am wahrscheinlichsten war – für gewöhnlich mitten am Nachmittag.
    Alle Nachmittage im April waren bereits vergeben und in Hinzelmanns liniertem Notizbuch abgehakt. Shadow kaufte einen Zeitraum von dreißig Minuten am Morgen des 23. März, von 9 Uhr bis 9 Uhr 30. Er gab Hinzelmann dreißig Dollar.
    »Wenn nur alle in der Stadt so gute Käufer wären wie Sie«, sagte Hinzelmann.
    »Es ist ein kleines Dankeschön dafür, dass Sie mich in der Nacht, als ich in die Stadt gekommen bin, mitgenommen haben.«
    »Nein, Mike«, sagte Hinzelmann. »Es ist für die Kinder.« Für einen Moment sah er ganz ernst aus, keine Spur von Verschmitztheit lag in seinem alten Faltengesicht. »Kommen Sie heute Nachmittag zum See, Sie können uns helfen, die Rostlaube aufs Eis zu schieben.«
    Er übergab Shadow sechs blaue Loszettel, auf denen in Hinzelmanns altmodischer Handschrift jeweils Datum und Zeit vermerkt waren, dann trug er den Vorgang in sein Notizbuch ein.
    »Hinzelmann«, sagte Shadow. »Haben Sie schon mal von Adlersteinen gehört?«
    »Eagle Stones? Ist das nicht nördlich von Rhinelander? Ach nee, das ist Eagle River. Nein, ich glaube nicht.«
    »Wie steht’s mit Donnervögeln?«
    »Nun, es gab mal die Thunderbird-Rahmengalerie oben in der Fifth Street, aber die hat zugemacht. Ich bin Ihnen keine Hilfe, wie?«
    »Nö.«
    »Tja, gehen Sie doch zur Bücherei und schlagen Sie dort nach. Nette Leute da, könnten allerdings ein bisschen abgelenkt sein wegen dem Bücherverkauf, der diese Woche läuft. Ich habe Ihnen die Bücherei doch gezeigt, oder?«
    Shadow nickte und verabschiedete sich. Es ärgerte ihn, dass er nicht selbst an die Bücherei gedacht hatte. Er stieg in den lila Geländewagen und fuhr auf der Main Street nach Süden und folgte anschließend dem See zum südlichsten Punkt, bis er das schlossähnliche Gebäude erreichte, das die Stadtbücherei beherbergte. Er ging hinein. Ein Schild wies in den Keller: BÜCHEREIVERKAUF stand darauf geschrieben. Die eigentliche Bücherei befand sich im Erdgeschoss. Er stampfte sich den Schnee von den Stiefeln.
    Eine streng wirkende Frau mit geschürzten purpurroten Lippen erkundigte sich, ob sie ihm behilflich sein könne.
    »Tja, ich brauche wohl einen Leseausweis«, sagte er. »Außerdem möchte ich alles über Donnervögel wissen.«
    Alles über die Mythen und Traditionen der amerikanischen Ureinwohner fand auf einem einzelnen Regalbord in einem der schlossartigen Türmchen Platz. Shadow zog einige Bücher heraus und setzte sich damit auf die Fensterbank. Nach wenigen Minuten hatte er erfahren, dass Donnervögel sagenhafte Riesenvögel waren, die auf den Bergspitzen lebten. Blitze ausschickten und mit den Flügeln schlugen, um den Donner zu machen. Es gab einige Stämme, so las er, die glaubten, dass die Donnervögel die Welt erschaffen hatten. Er setzte seine Lektüre noch eine halbe Stunde fort, ohne dass sich weitere Erkenntnisse ergaben; in keinem der Bücher jedoch waren irgendwelche Adlersteine im Register aufgeführt.
    Shadow war eben dabei, die letzten Bücher ins Regal zurückzustellen, als er bemerkte, dass ihn jemand beobachtete. Eine kleine, sehr ernst wirkende Person spähte um die schweren Regale herum zu ihm hin. Als er sich umdrehte, verschwand das Gesicht. Er wandte dem Jungen den Rücken zu und warf dann einen Blick über die Schulter, nur um festzustellen, dass er weiterhin beobachtet wurde.
    Den Liberty-Dollar trug er nach wie vor in der Hosentasche bei sich. Er zog ihn heraus und hielt ihn mit der rechten Hand hoch, damit der Junge ihn

Weitere Kostenlose Bücher