American Gods
Wututu verkauft und von ihnen getrennt worden war.
Sukey war seit ihrer Ankunft in diesem Land schon viele Male ausgepeitscht worden – einmal hatte man ihr Salz in die Wunden gerieben, ein anderes Mal hatte man so lange und so heftig auf sie eingeschlagen, dass sie mehrere Tage lang weder sitzen noch etwelche Berührung ihres Rückens ertragen konnte. Sie war, als sie noch jung war, mehrfach vergewaltigt worden: von Schwarzen, die den Befehl hatten, die Holzpalette mit ihr zu teilen, wie auch von Weißen. Man hatte sie angekettet. Sie hatte deswegen allerdings nie geweint. Seit sie von ihrem Bruder getrennt worden war, hatte sie überhaupt nur ein einziges Mal geweint. Das war in North Carolina gewesen, als sie sah, wie das Essen für die Sklavenkinder und das Futter für die Hunde in denselben Trog geschüttet wurden, und sie beobachten musste, wie die kleinen Kinder sich mit den Hunden um jeden Happen balgten. Eines Tages sah sie es also mit an – sie hatte es schon viele Male sehen müssen, jeden Tag auf dieser Plantage, und sollte es, bevor sie dort wegging, auch weiterhin sehen –, aber als sie es an jenem Tag mit ansah, da brach es ihr das Herz.
Eine Zeit lang war sie schön gewesen. Dann forderten die Jahre des Leids ihren Tribut, und sie war nicht mehr schön. Sie hatte Falten im Gesicht, und in den braunen Augen lag zu viel Schmerz.
Elf Jahre zuvor, im Alter von fünfundzwanzig, war ihr rechter Arm verdorrt. Niemand von den Weißen konnte sich einen Reim darauf machen. Das Fleisch schien vom Knochen zu schmelzen, und der Arm hing nur noch an ihr, fast unbeweglich, wenig mehr als ein von Haut überzogener Knochen. Danach war sie Haussklavin geworden.
Die Familie Casterton, die Besitzer der Plantage, war von ihren Kochkünsten und ihrem haushälterischen Geschick zwar beeindruckt, doch fand Mrs. Casterton den verkrüppelten Arm so bedrückend, dass man sie an die Familie Lavere weiterverkaufte, die, aus Louisiana kommend, für ein Jahr am Ort residierte. M. Lavere war ein dicker, fröhlicher Mann, der eine Köchin und ein Mädchen für sämtliche im Haus anfallenden Arbeiten benötigte und sich nicht im Geringsten vom verkrüppelten Arm der Sklavin Daisy abgestoßen zeigte. Als die Familie ein Jahr später nach Louisiana zurückkehrte, ging die Sklavin Sukey mit ihnen.
In New Orleans kamen die Frauen zu ihr, auch die Männer, um Heilmittel zu kaufen, Liebeszauber und kleine Fetische; in erster Linie waren es natürlich Schwarze, aber es gab auch weiße Kunden. Die Laveres beachteten die Angelegenheit nicht weiter. Wahrscheinlich genossen sie sogar das Prestige, eine Sklavin zu besitzen, die gefürchtet und respektiert wurde. Allerdings weigerten sie sich, ihr ihre Freiheit zu verkaufen.
Spätabends ging Sukey in die Bayous, um die Calinda und die Bamboula zu tanzen. Wie die Tänzer von Saint-Domingue und die ihrer Heimat hatten auch die Tänzer des Bayous eine schwarze Schlange als voudon; dessen ungeachtet beherrschten die Götter ihrer Heimat und der anderen afrikanischen Völker ihr Volk nicht in der Weise, wie sie ihren Bruder und die Menschen auf Saint-Domingue beherrscht hatten, Sukey aber rief sie nach wie vor an und bat um ihre Gunst.
Sie hörte die Weißen von der Revolte auf Santo Domingo (wie es hier hieß) sprechen und davon, dass diese zum Scheitern verurteilt sei – »Man stelle sich vor! Ein Land von Kannibalen!« –, und später bemerkte sie dann, dass nicht mehr davon gesprochen wurde.
Bald schien es ihr, als hätte es für die Weißen einen Ort namens Santo Domingo nie gegeben, und was Haiti betraf, so wurde dieses Wort niemals ausgesprochen. Es war, als hätte das gesamte amerikanische Volk beschlossen, durch reine Anstrengung des Glaubens eine karibische Insel von beträchtlicher Größe zum Verschwinden zu bringen.
Eine ganze Generation von Lavere-Kindern wuchs unter Sukeys wachsamer Obhut auf. Das jüngste davon, außerstande, das Wort »Sukey« auszusprechen, hatte sie Mama Zouzou genannt, und dieser Name war hängen geblieben. Jetzt schrieb man das Jahr 1821, und Sukey war Mitte fünfzig. Sie sah wesentlich älter aus.
Sie besaß mehr geheimes Wissen als die alte Sanité Dédé, die vor dem Cabildo Kerzen verkaufte, mehr auch als Marie Saloppe, die sich Voodoo Queen nannte: Beide waren freie farbige Frauen, während Mama Zouzou eine Sklavin war und als Sklavin sterben würde; das jedenfalls hatte ihr Herr gesagt.
Die junge Frau, die zu ihr kam, um zu erfahren, was mit
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