American Gods
ihrem Ehemann geschehen war, stellte sich als Witwe Paris vor. Sie hatte hohe Brüste, war jung und stolz. In ihren Adern floss afrikanisches Blut, aber auch europäisches und indianisches. Ihre Haut war rötlich, das Haar glänzte schwarz. Die Augen waren schwarz und wirkten hochmütig. Ihr Gatte, Jacques Paris, war – möglicherweise – tot. Er war zu drei Vierteln weiß, wie diese Dinge damals gerechnet wurden, der uneheliche Sohn einer einstmals stolzen Familie, einer der vielen aus Santo Domingo geflüchteten Einwanderer und ebenso frei geboren wie seine bemerkenswerte junge Frau.
»Mein Jacques – ist er tot?«, fragte die Witwe Paris. Sie arbeitete als Friseuse, die ins Haus bestellt wurde, um die Haartracht der feinen Damen von New Orleans auf deren anspruchsvolle gesellschaftliche Verpflichtungen abzustimmen.
Mama Zouzou befragte die Knochen und schüttelte dann den Kopf. »Er ist bei einer weißen Frau, irgendwo nördlich von hier«, sagte sie. »Einer weißen Frau mit goldenen Haaren. Er ist am Leben.«
Das alles hatte nichts mit Magie zu tun. Es war in New Orleans allgemein bekannt, mit wem Jacques Paris durchgebrannt war und welche Haarfarbe die Betreffende hatte.
Mama Zouzou wunderte sich nur, dass die Witwe Paris nicht längst wusste, dass ihr Jacques Nacht für Nacht seinen kleinen Viertelneger-Pipi oben in Colfax in ein rosahäutiges Mädchen steckte. Na ja, jedenfalls in den Nächten, in denen er nicht so betrunken war, dass er nichts Besseres damit anstellen konnte, als zu pissen. Vielleicht wusste sie ja Bescheid. Vielleicht kam sie ja aus einem anderen Grund.
Die Witwe Paris besuchte die alte Sklavin ein-, zweimal die Woche. Nach einem Monat brachte sie der Alten Geschenke mit: Haarbänder, einen Gewürzkuchen und einen schwarzen Hahn.
»Mama Zouzou«, sagte die junge Frau, »es ist Zeit, dass du mich alles lehrst, was du weißt.«
»Ja«, sagte Mama Zouzou, die gleich wusste, woher der Wind wehte. Zumal die Witwe Paris ihr auch gebeichtet hatte, dass sie mit Schwimmhäuten zwischen den Zehen geboren worden sei, was nichts anderes bedeute, als dass sie eigentlich ein Zwilling sei, den anderen Zwilling aber im Mutterleib getötet habe. Was blieb Mama Zouzou da anderes übrig?
Sie lehrte die Frau, dass zwei Muskatnüsse, an einer Schnur um den Hals getragen, bis die Schnur riss, Herzgeräusche heilten, während eine Taube, die nie geflogen war, aufgeschnitten auf den Kopf des Leidenden gelegt, fiebersenkend wirkte. Sie zeigte ihr, wie ein Wunschbeutel hergestellt wurde, ein kleiner Lederbeutel, der dreizehn Pennys, neun Baumwollsamen und die Borsten eines schwarzen Schweins enthielt, und wie man ihn rieb, um Wünsche in Erfüllung gehen zu lassen.
Die Witwe Paris merkte sich alles, was Mama Zouzou ihr erzählte. An den Göttern dagegen zeigte sie wenig Interesse. Eigentlich gar keines. Sie war lediglich an den praktischen Dingen interessiert. Mit Vergnügen lernte sie, dass, wenn man einen lebenden Frosch in Honig tauchte und ihn in ein Ameisennest legte, man anschließend, sobald alles sauber abgenagt war, bei näherer Untersuchung feststellen konnte, dass ein flacher herzförmiger Knochen und ein Knochen mit einem Haken übrig blieben: Der Knochen mit dem Haken musste in ein Kleidungsstück der Person gehängt werden, deren Liebe man erringen wollte, während der herzförmige Knochen sicher zu verwahren war (wenn er verloren ging, würde die geliebte Person sich wie ein wütender Hund gegen einen wenden). Unweigerlich würde einem, wenn man so verfuhr, die geliebte Person verfallen.
Sie lernte, dass getrocknetes Schlangenpulver, in den Gesichtspuder einer Feindin gemischt, Blindheit hervorrief, und ebenso, dass eine Feindin dazu veranlasst werden konnte, sich zu ertränken, indem man ein Stück ihrer Unterwäsche entwendete und es, mit der Innenseite nach außen, um Mitternacht unter einem Ziegelstein begrub.
Mama Zouzou zeigte der Witwe Paris die Weltwunderwurzel, die großen und kleinen Wurzeln von John the Conqueror, sie zeigte ihr Drachenblut und Baldrian und Fingerkraut. Sie zeigte ihr, wie man Sieche-dahin-Tee, Folge-mir-Wasser und Faire-Shingo-Wasser zubereitet.
All diese Dinge und noch manches mehr zeigte Mama Zouzou der Witwe Paris. Dennoch war es eine Enttäuschung für die alte Frau. Sie gab sich alle Mühe, ihr die verborgenen Wahrheiten, die tiefe Weisheit, zu vermitteln, ihr von Papa ’Legba zu berichten, von Mawu, von der voudon-Schlange Aido-Hwedo und all den
Weitere Kostenlose Bücher