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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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getrockneten Pilzhüte gegessen. Ihre Träume waren wirr und Furcht erregend gewesen, helle Lichter hatten sich schnell bewegt, Felsgebirge waren von Lichtern übersät gewesen, die wie Eiszapfen emporragten. In der Nacht war sie schweißgebadet aufgewacht und musste Wasser lassen. Sie hockte sich über den Holzkelch und füllte ihn mit ihrem Urin. Dann stellte sie den Kelch vor das Zelt in den Schnee und ging wieder schlafen.
    Nach dem Aufwachen sammelte sie die Eisstücke aus dem Kelch, sodass eine dunklere, konzentriertere Flüssigkeit übrig blieb.
    Es war diese Flüssigkeit, die sie nun herumreichte, erst an Gugwei, dann an Yanu und dann an Kalanu. Jeder nahm einen großen Schluck, danach war die Reihe an Atsula. Was übrig war, nachdem sie getrunken hatte, goss sie vor ihrem Gott auf den Boden, ein Trankopfer an Nunyunnini.
    Sie saßen in dem rauchigen Zelt und warteten, dass ihr Gott zu ihnen sprach. Draußen in der Dunkelheit heulte und atmete der Wind.
    Kalanu, die Kundschafterin, war eine Frau, die wie ein Mann ging und sich auch so kleidete: Sie hatte sich sogar Dalani, ein vierzehnjähriges Mädchen, zur Frau genommen. Kalanu kniff die Augen fest zusammen, dann erhob sie sich und ging zu dem Mammutschädel. Sie schlüpfte unter den Mammutfellumhang und stellte sich so, dass ihr Kopf im Innern des Mammutschädels steckte.
    »Es schwebt ein Übel über dem Land«, sagte Nunyunnini mit Kalanus Stimme. »Ein Übel, welches bewirkt, dass ihr alle, solltet ihr hier im Lande eurer Mütter und eurer Mütter Mütter bleiben, umkommen werdet.«
    Die drei Zuhörer grunzten.
    »Sind es die Sklavenhändler? Oder die großen Wölfe?«, fragte Gugwei, dessen Haar lang und weiß und dessen Gesicht so runzlig war wie die graue Haut eines Dornenbaums.
    »Es sind nicht die Sklavenhändler«, sagte Nunyunnini, die alte Steinhaut. »Es sind nicht die großen Wölfe.«
    »Ist es eine Hungersnot? Droht eine Hungersnot?«, fragte Gugwei.
    Nunyunnini schwieg. Kalanu kam unter dem Schädel hervor und wartete mit den anderen.
    Gugwei legte den Mammutfellumhang um und steckte den Kopf in den Schädel.
    »Es ist keine Hungersnot, wie sie euch bekannt ist«, sagte Nunyunnini durch Gugweis Mund, »wenngleich eine Hungersnot folgen wird.«
    »Was ist es dann?«, fragte Yanu. »Ich habe keine Angst. Ich werde mich ihm entgegenstellen. Wir haben Speere, und wir haben Wurfsteine. Lass hundert mächtige Krieger gegen uns ziehen, so werden wir sie doch besiegen. Wir werden sie in die Sümpfe locken und ihre Schädel mit unseren Feuersteinen spalten.«
    »Es ist kein Menschending«, sagte Nunyunnini mit Gugweis alter Stimme. »Es wird vom Himmel kommen, und keiner eurer Speere oder Steine wird euch schützen.«
    »Wie können wir uns schützen?«, fragte Atsula. »Ich habe Flammen am Himmel gesehen. Ich habe ein Geräusch gehört, lauter als zehn Donnerschläge. Ich habe Wälder umknicken und Flüsse kochen sehen.«
    »Ai …«, sagte Nunyunnini, aber mehr sagte er nicht. Gugwei kam unter dem Schädel hervor, steif gebeugt, denn er war ein alter Mann, dessen Knöchel geschwollen und knotig waren.
    Schweigen herrschte. Atsula warf weitere Blätter ins Feuer, worauf der Rauch ihnen die Tränen in die Augen trieb.
    Nun schritt Yanu zum Mammutschädel, legte sich den Umhang um die breiten Schultern und steckte den Kopf in den Schädel. Seine Stimme dröhnte. »Ihr müsst auf Wanderschaft gehen«, sagte Nunyunnini. »Ihr müsst der Sonne entgegenziehen. Wo die Sonne aufgeht, werdet ihr ein neues Land finden, wo ihr sicher seid. Es wird eine lange Reise sein, der Mond wird zweimal anschwellen und sich leeren, sterben und wieder leben, und es wird Sklavenhändler und wildes Getier geben, aber ich werde euch sicher geleiten, wenn ihr gegen den Sonnenaufgang wandert.«
    Atsula spuckte auf den Lehmboden und sagte: »Nein.« Sie spürte, wie der Gott sie anstarrte. »Nein«, sagte sie. »Du bist ein böser Gott, wenn du so etwas sagst. Wir werden sterben. Wir werden alle sterben, und wer wird dann übrig sein, dich von einer Gebetsstätte zur nächsten zu tragen, dein Zelt zu errichten, deine großen Stoßzähne mit Fett einzuschmieren?«
    Der Gott antwortete nichts darauf. Atsula und Yanu tauschten die Plätze. Atsulas Gesicht starrte zwischen den vergilbten Mammutknochen hervor.
    »Atsula fehlt der Glaube«, sagte Nunyunnini mit Atsulas Stimme. »Atsula wird sterben, bevor ihr übrigen das neue Land betretet, aber ihr, ihr werdet leben. Vertraut mir:

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