American Gods
verschwunden.
Shadow rappelte sich hoch.
Der Parkplatz war zu drei Vierteln leer. Shadow ging auf den Eingang zu. Er kam an einem braunen Ford Explorer vorbei, der neben einer Mauer stand. Das Auto kam ihm ausgesprochen bekannt vor. Er sah es sich neugierig an und bemerkte den Mann, der über dem Steuer zusammengesunken darin saß, als würde er schlafen.
Shadow zog die Fahrertür auf.
Zuletzt hatte er Mr. Town vor dem Motel am Mittelpunkt von Amerika gesehen. Der Ausdruck auf seinem Gesicht spiegelte Überraschung wider. Ihm war fachmännisch das Genick gebrochen worden. Shadow berührte das Gesicht des Mannes. Es war noch warm.
Shadow bemerkte einen Duft im Wageninnern, einen ganz schwachen Duft, wie der Nachklang eines Parfüms von jemandem, der Jahre zuvor das Zimmer verlassen hatte, aber Shadow hätte es immer und überall wiedererkannt. Er schlug die Tür des Wagens zu und überquerte den Parkplatz.
Beim Gehen spürte er ein Stechen in der Seite, einen heftigen Schmerz, nur eine Sekunde lang, oder nicht einmal, dann war er wieder verschwunden.
Es war niemand da, der Eintrittskarten verkaufte. Er ging durch das Gebäude hindurch und betrat die Gärten von Rock City.
Donner grollte, die Äste der Bäume knackten, selbst die riesigen Felsen schienen im Innern zu erzittern, und der Regen fiel mit kalter Wucht. Es war später Nachmittag, aber dunkel, als wäre die Nacht angebrochen.
Ein Blitzstrahl zuckte über die Wolken, und Shadow fragte sich, ob das wohl der Donnervogel war, der zu seinen hohen Felsspitzen zurückkehrte, oder nur eine atmosphärische Entladung oder ob am Ende beides irgendwie auf dasselbe hinauslief.
Und natürlich tat es das. Das war ja überhaupt der springende Punkt.
Von irgendwo ertönte der Ruf einer Männerstimme. Shadow hörte ihn. Doch das einzige, was er verstand oder zu verstehen glaubte, waren die Worte: »… dem Odin!«
Shadow eilte über den Fahnenplatz der Sieben Bundesstaaten, wo das Regenwasser inzwischen mit hoher Geschwindigkeit über die Steinplatten strömte. Einmal rutschte er auf dem glitschigen Untergrund aus. Dicke Wolkenschichten umgaben den Berg, und in all der sturmbewegten Dunkelheit war jenseits des Platzes kein einziger Bundesstaat zu sehen.
Es war völlig still. Der Ort schien gänzlich verlassen zu sein.
Er rief aufs Geratewohl, und es schien ihm, als würde jemand antworten. Er ging in die Richtung, aus der die Stimme gekommen sein musste.
Niemand. Nichts. Nur eine Kette vor dem Eingang zu einer Höhle, die für Besucher gesperrt war.
Shadow stieg über die Kette.
Er blickte sich um, spähte in die Dunkelheit hinein.
Es kribbelte auf seiner Haut.
Aus dem Schatten hinter ihm sprach eine völlig ruhige Stimme: »Du hast mich nie enttäuscht.«
Shadow drehte sich nicht um. »Das ist aber eigenartig. Mich selbst habe ich nämlich die ganze Zeit enttäuscht. Immer wieder.«
»Nicht im Geringsten«, sagte die Stimme. »Du hast alles getan, was du tun solltest, und sogar mehr als das. Du hast die Aufmerksamkeit aller auf dich gelenkt, sodass sie nie auf die Hand geschaut haben, in der die Münze war. Misdirection ist wohl der Fachausdruck dafür. Und es steckt viel Kraft in der Opferung eines Sohnes – Kraft genug, mehr als genug, um die ganze Sache ins Rollen zu bringen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich bin stolz auf dich.«
»Es war Beschiss«, sagte Shadow. »Von vorn bis hinten. Nichts von alledem war echt. Alles hat nur der Vorbereitung eines Massakers gedient.«
»Genau«, sagte Wednesday aus dem Schatten. »Es war Beschiss. Aber es war das einzige Spiel in der Stadt.«
»Ich suche Laura«, sagte Shadow. »Und Loki. Wo sind sie?«
Es folgte nur Stille. Regen wehte ihn an. Donnergrollen ertönte aus der Nähe.
Er ging tiefer in die Höhle hinein.
Loki der Lügenschmied saß auf dem Boden, mit dem Rücken an einen Metallkäfig gelehnt, in dem betrunkene Kobolde mit einem Destilliergerät hantierten. Er war in eine Decke gehüllt. Nur sein Gesicht war zu sehen, und seine Hände, die, weiß und langgliedrig, auf der Decke lagen. Auf einem Stuhl daneben stand eine Elektrolaterne. die Batterien mussten fast leer sein, weil das Licht, das sie spendete, nur mehr gelblich trüb war.
Loki sah blass und angeschlagen aus.
Die Augen jedoch. Die Augen waren noch voller Feuer und funkelten Shadow entgegen, als dieser durch die Höhle geschritten kam.
Ein paar Schritte von Loki entfernt blieb Shadow stehen.
»Du kommst zu spät«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher