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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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brauchtest einen Sohn«, sagte Shadow.
    »Ich brauchte dich, mein Junge«, echote Wednesdays Geisterstimme. »Ja. Meinen eigenen Sohn. Ich wusste, dass du empfangen worden warst, aber deine Mutter hat plötzlich das Land verlassen. Wir haben so lange gebraucht, um dich zu finden. Und als wir dich endlich hatten, da hast du im Gefängnis gesessen. Wir mussten herausfinden, was dich trieb. Welche Knöpfe wir drücken mussten, um dich in Bewegung zu setzen. Wer du warst.« Loki sah vorübergehend recht selbstzufrieden drein. »Und du hattest eine Frau und also ein Zuhause. Das war unglücklich, aber kein unüberwindliches Hindernis.«
    »Sie hat nichts getaugt«, flüsterte Loki. »Ohne sie warst du viel besser dran.«
    »Wenn’s doch bloß auf andere Weise hätte sein können«, sagte Wednesday, und diesmal wusste Shadow, was er damit meinte.
    »Wenn sie wenigstens … den Anstand gehabt hätte … tot zu bleiben«, keuchte Loki. »Wood und Stone … waren gute Männer. Du solltest … die Möglichkeit zur Flucht bekommen … wenn der Zug durch die Dakotas fahren würde …«
    »Wo ist sie?«, fragte Shadow.
    Loki streckte einen blassen Arm aus und deutete auf den hinteren Teil der Höhle.
    »Sie ist da lang«, sagte er. Ohne Vorwarnung kippte er daraufhin vornüber und brach auf dem Steinboden zusammen.
    Shadow sah jetzt, was die Decke verborgen hatte: die Blutlache, das Loch in Lokis Rücken, den rehbraunen Regenmantel, der sich mit schwarzem Blut voll gesogen hatte. »Was ist passiert?«, fragte er.
    Loki schwieg.
    Shadow hatte nicht den Eindruck, dass Loki je wieder etwas sagen würde.
    »Deine Frau ist ihm passiert, mein Junge«, sagte Wednesdays ferne Stimme. Er war jetzt schlechter zu sehen, so als würde er zurück in den Äther verschwinden. »Aber die Schlacht wird ihn zurückholen. Wie sie auch mich endgültig zurückbringen wird. Ich bin ein Gespenst, und er ist eine Leiche, aber trotzdem haben wir gewonnen. Das Spiel war manipuliert.«
    »Nichts leichter«, sagte Shadow, dem das wieder einfiel, »als ein manipuliertes Spiel umzudrehen.«
    Es kam keine Antwort. Nichts rührte sich mehr im Schatten.
    »Auf Wiedersehen«, sagte Shadow, und dann: »Vater.« Inzwischen gab es in der Höhle jedoch keine Spur mehr von einer anderen Person. Nicht die geringste.
    Shadow ging zurück zum Fahnenplatz der Sieben Bundesstaaten, sah dort aber niemanden und hörte auch nichts außer dem Knattern der Fahnen im Sturmwind. Keine Personen mit Schwertern neben dem Tausend-Tonnen-Felsstein-im-Gleichgewicht, keine Verteidiger der Schaukelbrücke. Er war allein.
    Absolut nichts zu sehen. Der Ort war verlassen. Es war ein leeres Schlachtfeld.
    Nein. Nicht verlassen. Das war nicht ganz richtig.
    Das hier war Rock City. Seit Tausenden von Jahren ein Ort der Ehrfurcht und des Gottesdienstes. Heute hatten die Millionen von Touristen, die durch die Gärten wanderten und über die Schaukelbrücke wankten, dieselbe Wirkung wie Wasser, das eine Million Gebetsmühlen drehte. Die Realität war hier nur recht dünn. Und Shadow wusste, wo die Schlacht nur stattfinden konnte.
    Also ging er los. Er dachte daran zurück, wie er sich auf dem Karussell gefühlt hatte, und versuchte wieder auf genau die gleiche Weise zu fühlen …
    Er erinnerte sich, wie er den Winnebago gesteuert, ihn in einen rechten Winkel zu allem gedreht hatte. Er versuchte diese Empfindung zu rekonstruieren …
    Und dann, wie von selbst, geschah es.
    Es war, als stieße man durch eine Membran, tauche aus tiefem Wasser an die Oberfläche. Ein einziger Schritt brachte ihn vom Touristenpfad hin zu …
    Zu einem realen Ort. Er war hinter der Bühne.
    Er befand sich immer noch auf der Spitze des Berges, so weit hatte sich nichts verändert. Aber es war einiges dazugekommen. Der Berggipfel war auf einmal die Quintessenz von Örtlichkeit, das Herz der Dinge, wie sie waren. Verglichen damit war der Lookout Mountain, den er soeben verlassen hatte, reine Kulissenmalerei gewesen, ein Modell aus Pappmaschee, wie man es vom Fernsehen her kannte – nur eine Wiedergabe der Sache, nicht die Sache selbst.
    Das hier war der wahre, echte Ort.
    Die Felswände bildeten ein natürliches Amphitheater. Es gab felsige Pfade, die sich rundherum und quer hinüber wanden und dabei durch und über die Felswände wie auf Escher-Bildern verschlungene natürliche Brücken bildeten.
    Und der Himmel …
    Der Himmel war finster. Aber die Welt darunter war von einem brennend grünlich-weißen Strahl

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