American Gods
vorbeiging.
Und nach einiger Zeit, viel zu langer, hörten die Prügel auf.
»Wir sehen uns in zwei Stunden wieder, Sir«, sagte Stone. »Tja, Woody hat das wirklich mit großem Widerwillen getan. Wir sind verständige Leute. Wie gesagt, wir sind die Guten. Sie sind auf der falschen Seite. Versuchen Sie in der Zwischenzeit doch ein bisschen zu schlafen.«
»Sie sollten uns lieber ernst nehmen«, sagte Wood.
»Da hat Woody nicht ganz Unrecht, Sir«, sagte Stone. »Denken Sie mal drüber nach.«
Die Tür knallte hinter ihnen zu. Shadow fragte sich, ob sie das Licht ausmachen würden, was aber nicht der Fall war. Es strahlte weiterhin in den Raum wie ein kaltes Auge. Shadow kroch zur gelben Schaumgummimatte und legte sich darauf, zog die dünne Decke über und hielt sich mit geschlossenen Augen ans Nichts, hielt sich an Träumen fest.
Die Zeit zog vorüber.
Er war wieder fünfzehn, seine Mutter lag im Sterben und wollte ihm etwas sehr Wichtiges mitteilen, aber er konnte sie nicht verstehen. Er bewegte sich im Schlaf, ein stechender Schmerz warf ihn aus dem Halbschlaf in einen halben Wachzustand, und er zuckte zusammen.
Shadow zitterte unter der dünnen Decke. Mit dem rechten Arm bedeckte er die Augen, um das Licht der Glühbirne abzuwehren. Er fragte sich, ob Wednesday und die anderen noch in Freiheit, ob sie überhaupt noch am Leben waren. Er hoffte es für sie.
Der Silberdollar lag weiterhin kalt in seiner Hand. Er konnte ihn fühlen, wie er ihn auch während der Schläge gefühlt hatte. Beiläufig wunderte er sich, warum die Münze sich nicht seiner Körpertemperatur annäherte. In seinem Zustand von Halbschlaf und Halbdelirium verschlangen sich die Münze, die Vorstellung von Liberty, der Mond und Sarja Polunotschnaja irgendwie in einem einzigen verflochtenen silbernen Lichtstrahl, der aus großer Tiefe hinauf zum Himmel stieg, und er ritt auf dem Silberstrahl nach oben, weg von all dem Schmerz, dem Herzeleid und der Furcht, weg vom Schmerz und, welch Seligkeit, zurück in die Träume …
Von fern vernahm er irgendeinen Lärm, aber es war zu spät, darüber nachzudenken, er gehörte bereits dem Schlaf an.
Nur dieser Ansatz eines Gedankens noch: Er hoffte, dass da keine Leute kämen, ihn aufzuwecken, ihn zu schlagen oder anzuschreien. Und dann war er, wie er mit Genugtuung bemerkte, wirklich eingeschlafen, und er fror nicht mehr.
Irgendwo war da jemand, der um Hilfe rief, sehr laut, in seinem Traum oder anderswo.
Shadow rollte im Schlaf auf dem Schaumgummi hin und her und stieß dabei immer wieder auf schmerzende Körperstellen.
Jemand schüttelte ihn an der Schulter.
Er wollte darum bitten, nicht geweckt zu werden, man möge ihn doch in Ruhe schlafen lassen, aber er brachte nur ein Grunzen zustande.
»Hündchen?«, sagte Laura. »Du musst aufwachen. Bitte, wach auf, Schatz!«
Und für einen Augenblick war da sanfte Erleichterung. Er hatte einen solch seltsamen Traum gehabt, von Gefängnis und Betrügern und heruntergekommenen Göttern, und nun weckte ihn Laura, um ihm zu sagen, dass er aufstehen und zur Arbeit gehen müsse, und vielleicht war davor noch etwas Zeit, sich einen Kaffee zu genehmigen und einen Kuss zu erhaschen, vielleicht sogar mehr als einen Kuss. Er streckte die Hand nach ihr aus.
Ihr Fleisch war eiskalt und klebrig.
Shadow schlug die Augen auf.
»Wo kommt all das Blut her?«, fragte er.
»Von den anderen«, sagte sie. »Nicht von mir. Ich bin voller Formaldehyd, vermischt mit Glyzerin und Lanolin.«
»Welchen anderen?«, fragte er.
»Den Wächtern«, sagte sie. »Ist schon okay. Ich hab sie umgebracht. Komm, beweg dich. Ich glaube zwar nicht, dass noch irgendwer Gelegenheit hatte, Alarm auszulösen, aber wer weiß. Nimm dir von da draußen einen Mantel mit, sonst frierst du dir den Hintern ab.«
»Du hast sie getötet?«
Sie zuckte die Achseln und setzte zu einem ungeschickten Lächeln an. Ihre Hände sahen aus, als hätte sie mit Fingerfarben an einem Bild gearbeitet, dessen Komposition ausschließlich Töne von Blutrot vorsah, und ihr Gesicht und ihre Kleidung (dasselbe blaue Kostüm, in dem sie beerdigt wurde) waren derart mit Spritzern übersät, dass Shadow an Jackson Pollock denken musste, weil es weniger problematisch war, an Jackson Pollock zu denken, als die Alternative zu akzeptieren.
»Es ist leichter, Leute umzubringen, wenn man selbst tot ist«, erklärte sie ihm. »Das heißt, es ist keine so große Sache. Man ist nicht mehr so voreingenommen.«
»Für
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