American Gods
Mama-ji«, sagte Shadow. Das Wageninnere wurde von ihrem klingenden Gelächter erfüllt.
Der Mann auf dem Rücksitz – nicht der seltsam aussehende junge, sondern der andere – sagte etwas, und Shadow antwortete ihm, aber schon einen Augenblick später wusste er ums Verrecken nicht mehr, worum es gegangen war.
Der seltsam aussehende junge Mann hatte sich bislang nicht geäußert, aber jetzt begann er vor sich hin zu summen, in einem tiefen, melodischen Bass, der das Innere des Wagens summend und brummend vibrieren ließ.
Der seltsam aussehende Mann war von durchschnittlicher Größe, aber merkwürdiger Gestalt. Shadow jedenfalls hatte noch nie jemanden mit solch breiter, gewölbter Brust gesehen: Der Mann besaß einen Brustkorb wie ein Fass, die Beine waren wie, ja, wie Baumstämme und die Hände wie, genau, Schweinshaxen. Er trug einen schwarzen Parka mit Kapuze, mehrere Pullover übereinander, dick gepolsterte Latzhosen und, angesichts des Winterwetters und der übrigen Ausstattung schwer nachzuvollziehen, weiße Tennisschuhe, die Größe und Gestalt eines Schuhkartons aufwiesen. Die Finger ähnelten Würsten, liefen aber in flachen, rechtwinkligen Spitzen aus.
»Sie können aber summen«, sagte Shadow nach hinten.
»Entschuldigung«, sagte der seltsame junge Mann verlegen mit äußerst tiefer Stimme. Er hörte auf zu summen.
»Nein, es hört sich gut an«, sagte Shadow. »Machen Sie ruhig weiter.«
Der seltsame junge Mann zögerte, fing dann aber wieder zu summen an, so tief und widerhallend wie zuvor. Diesmal war das Summen mit Worten durchsetzt. »Down down down«, sang er so tief, dass die Scheiben klapperten. »Down down down down down down down.«
Die Dachsgesimse der Häuser und Gebäude, an denen sie vorüberfuhren, waren mit Weihnachtslichtern geschmückt. Von diskreten goldenen Lämpchen, die tröpfelnd blinkten, bis hin zu riesigen Anordnungen von Schneemännern, Teddybären und bunten Sternen war alles vertreten.
Shadow fuhr vor dem Restaurant vor, einem großen, scheunenartigen Bau, ließ seine Passagiere vor der Eingangstür aussteigen und stellte den Wagen dann auf dem rückwärtigen Parkplatz ab. Den kurzen Fußweg durch die Kälte zurück wollte er dazu nutzen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Er hatte neben einem schwarzen Laster geparkt. Er fragte sich, ob das wohl derselbe war, der sie vorhin überholt hatte. Er schloss die Autotür ab, blieb kurz stehen und ließ seinen Atem dampfen.
Im Restaurant, stellte Shadow sich vor, würde Wednesday bereits dabei sein, seine Gäste um einen großen Tisch zu platzieren, wobei er ununterbrochen hin und her wieselte. Shadow überlegte, ob das wirklich Kali neben ihm auf dem Beifahrersitz gewesen war und wer oder was wohl auf dem Rücksitz mitgefahren war …
»He, Kumpel, hast du mal ’n Streichholz?«, sagte eine Stimme, die ihm irgendwie bekannt vorkam, und Shadow wandte sich um, um bedauernd mitzuteilen, dass er keine habe, da traf ihn der Gewehrlauf über dem linken Auge, und er sackte zusammen. Er streckte einen Arm aus, um das Gleichgewicht zu erlangen. Jemand stopfte ihm etwas Weiches in den Mund, was ihn am Schreien hindern sollte, und klebte ein Band darüber: fließende, geübte Handgriffe, wie bei einem Schlachter, der ein Huhn ausnimmt.
Shadow versuchte zu rufen, wollte Wednesday und die ganze Gesellschaft warnen, aber nichts als ein ersticktes Geräusch drang ihm aus dem Mund.
»Die Jagdbeute ist schon drinnen«, sagte die vage vertraute Stimme. »Alle Mann auf Position?« Shadow hörte eine Stimme aus einem Funkgerät knistern, die kaum zu verstehen war. »Also, gehen wir rein und schnappen sie uns.«
»Was ist mit dem Langen hier?«, sagte eine andere Stimme.
»Schnürt ihn zusammen und bringt ihn weg.«
Sie stülpten Shadow eine tütenartige Kapuze über den Kopf, fesselten ihm Hände und Füße mit Klebeband, warfen ihn auf die Ladefläche eines Lasters und fuhren los.
In dem winzigen Raum, in den man Shadow eingeschlossen hatte, waren keine Fenster vorhanden. Es gab einen Plastikstuhl, einen leichtgewichtigen Klapptisch und einen Eimer mit Deckel, der als Toilette diente. Auf dem Fußboden lag außerdem ein zwei Meter langer Streifen gelber Schaumstoff und darauf eine dünne Decke mit einem vor langer Zeit verkrusteten braunen Fleck in der Mitte: Blut oder Scheiße oder Essen, das war schwer zu entscheiden, und Shadow verspürte wenig Neigung, eingehendere Untersuchungen anzustellen. An der Zimmerdecke befand
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