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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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dem Müll etwas Zauberisches.
    Shadow bemerkte, dass er nicht allein war. Ein kleines Mädchen, das alte Tennisschuhe an den Füßen und als Kleid einen grauen Männerwollpullover trug, stand auf dem Bürgersteig, drei Meter von ihm entfernt, und starrte ihn mit der düsteren Feierlichkeit der Sechsjährigen an. Ihr Haar war schwarz und glatt und lang; und ihre Haut so braun wie der Fluss.
    Er grinste ihr zu. Sie starrte aufsässig zurück.
    Vom Wasser her ertönte Kreischen und Gejaule, und gleich darauf schoss die kleine Katze hinter einer umgestürzten Mülltonne hervor, verfolgt von einem schwarzen Hund mit langer Schnauze. Die Katze flitzte unter ein Auto.
    »He«, sagte Shadow zu dem Mädchen. »Hast du schon mal unsichtbares Pulver gesehen?«
    Sie zögerte. Dann schüttelte sie den Kopf.
    »Okay«, sagte Shadow. »Dann pass mal auf.« Shadow zog mit der linken Hand einen Quarter aus der Tasche, hielt ihn hoch, neigte ihn in verschiedene Richtungen, warf ihn dann scheinbar in die rechte Hand, die er sogleich fest schloss und vorstreckte. »Und jetzt«, sagte er, »nehme ich etwas unsichtbares Pulver aus der Tasche« – er langte mit der linken Hand in die Brusttasche, in die er gleichzeitig den Quarter fallen ließ – »und streue es über die Hand mit der Münze …« Er machte Streubewegungen mit den Fingern. »Siehst du, jetzt ist der Quarter auch unsichtbar.« Er öffnete die leere rechte Hand und dann, voller Erstaunen, auch die leere Linke.
    Das kleine Mädchen starrte ihn nur an.
    Shadow zuckte die Achseln, steckte die Hände wieder in die Taschen und nahm einen Quarter in die eine und einen zusammengefalteten Fünfdollarschein in die andere. Er wollte das Geld aus der Luft herausgreifen und dem Mädchen dann den Schein schenken; sie schien ihn gut gebrauchen zu können. »He«, sagte er, »wir haben Publikum.«
    Auch der schwarze Hund und die kleine braune Katze beobachteten ihn nun, saßen zu beiden Seiten des Mädchens und sahen aufmerksam zu ihm hinauf. Die riesigen Ohren des Hundes waren aufgerichtet, was ihm einen komisch wachsamen Ausdruck gab. Ein kranichartiger Mann mit Goldrandbrille kam auf dem Bürgersteig auf sie zu, wobei er nach allen Seiten Ausschau hielt, als würde er nach etwas suchen. Shadow wollte nicht ausschließen, dass es sich um den Besitzer des Hundes handelte.
    »Wie fandest du das?«, fragte Shadow den Hund, ein Versuch, dem kleinen Mädchen die Befangenheit zu nehmen. »War das cool?«
    Der schwarze Hund leckte sich über die lange Schnauze. Dann sagte er mit tiefer, trockener Stimme: »Ich habe mal Harry Houdini gesehen, und glaub mir, Mann, du bist kein Harry Houdini.«
    Das kleine Mädchen blickte die Tiere an, sie blickte Shadow an, und dann rannte sie davon. Ihre Füße stampften über den Bürgersteig, als wären sämtliche Ausgeburten der Hölle hinter ihr her. Die beiden Tiere sahen ihr hinterher. Der kranichartige Mann war inzwischen beim Hund angelangt. Er beugte sich hinab und kratzte ihm die hochgestellten spitzen Ohren.
    »Na komm«, sagte der Mann mit der Goldrandbrille zu dem Hund. »Das war nur ein Münzentrick. Es ist ja nun nicht so, dass er eine Unterwasserentfesselung vorgeführt hätte.«
    »Noch nicht«, sagte der Hund. »Aber das kommt auch noch.« Das goldene Licht war verschwunden und das Grau der Dämmerung an seine Stelle getreten.
    Shadow steckte die Münze und den gefalteten Schein in die Tasche zurück. »Okay«, sagte er. »Wer von euch ist der Schakal?«
    »Streng deine Augen an«, sagte der schwarze Hund mit der langen Schnauze. Er begann den Bürgersteig neben dem Mann mit der Goldbrille entlangzutraben, und nach kurzem Zögern folgte Shadow ihnen. Die Katze war nicht mehr zu sehen. Sie kamen zu einem großen, alten Gebäude inmitten einer Reihe von mit Brettern vernagelten Häusern. Auf dem Schild neben der Tür stand: IBIS & JAQUEL. BESTATTUNGSINSTITUT. SEIT 1863 IN FAMILIENBESITZ.
    »Ich bin Mr. Ibis«, sagte der Mann mit der Goldrandbrille. »Ich glaube, ich sollte Sie erst einmal zum Essen einladen. Mein Freund hier hat leider noch etwas Arbeit zu erledigen.«

irgendwo in amerika
     
     
    New York macht Salim Angst, daher klammert er sich mit beiden Händen an seinen Musterkoffer und hält ihn vor der Brust fest. Er hat Angst vor schwarzen Menschen, wie sie ihn anstarren, und er hat Angst vor den Juden – die ganz in Schwarz gekleideten mit den Hüten und Bärten und Schläfenlocken kann er bestimmen, aber wer weiß, wie viele da

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