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American Gods

American Gods

Titel: American Gods Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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wischte die Innenseite der Badewanne ab, bevor er das Wasser einlaufen ließ. Er zog sich aus und legte seine Sachen aufs Bett. Die blauen Flecken am ganzen Körper schillerten in dunklen, kraftvollen Tönen. Er setzte sich in die Wanne und beobachtete, wie die Farbe des Badewassers sich veränderte. Dann stellte er sich nackt ans Waschbecken und wusch Socken, Unterhose und T-Shirt, wrang alles aus und hängte die Sachen auf dem Trockengestell auf, das man über der Badewanne aus der Wand schwenken konnte. Die Kakerlake ließ er, wo sie war, sozusagen aus Respekt vor den Toten.
    Shadow stieg ins Bett. Er spielte mit dem Gedanken, sich einen Porno anzugucken, aber die Pay-per-view-Vorrichtung neben dem Telefon erforderte eine Kreditkarte, und das war ihm zu riskant. Bei näherer Überlegung war er auch nicht davon überzeugt, dass es ihn irgendwie weiterbringen würde, anderen Leuten bei sexuellen Handlungen zuzusehen, die ihm selbst verwehrt waren. Um sich abzulenken, schaltete er den Fernseher ein und drückte dreimal auf den Schlaffunktionsknopf der Fernbedienung, wodurch der Apparat sich in fünfundvierzig Minuten automatisch abschalten würde. Es war jetzt eine Viertelstunde vor Mitternacht.
    Der Empfang war, wie in Motels üblich, unscharf, und die Farben schwammen über den Bildschirm. Von Late-Show zu Late-Show zappte er sich durch das televisionäre Ödland, unfähig, sich länger auf etwas zu konzentrieren. Irgendjemand führte irgendetwas vor, das irgendetwas in der Küche erledigte und etwa ein Dutzend anderer Küchenutensilien ersetzte, von denen Shadow selbst kein einziges besaß. Zapp. Ein Mann im Anzug erklärte, dass man ans Ende der Zeiten gelangt sei und dass Jesus – ein vier- bis fünfsilbiges Wort in der Intonation des Mannes – Shadows geschäftliches Unternehmen blühen und gedeihen lasse, wenn Shadow dem Mann Geld schicke. Zapp. Eine Folge von M.A.S.H. ging zu Ende, und die Dick Van Dyke Show begann.
    Shadow hatte seit Jahren keine Folge der Dick Van Dyke Show mehr gesehen, aber es war etwas Tröstliches an der von der Serie ausgemalten Schwarzweißwelt von 1965, und so legte er die Fernbedienung beiseite und schaltete die Nachttischlampe aus. Während ihm langsam die Augen zufielen, beschlich ihn der Eindruck, dass etwas an der Sendung seltsam war. Er kannte nicht viele Folgen der Dick Van Dyke Show , weshalb er auch nicht überrascht war, dass er keine Erinnerung an die hier gezeigte Folge hatte. Was er aber ungewöhnlich fand, war der Ton.
    Das gesamte Stammpersonal zeigte sich besorgt über Robs Trinkerei. Er kam tagelang nicht zur Arbeit. Sie suchten ihn zu Hause auf: Er hatte sich im Schlafzimmer eingeschlossen und musste erst mühsam überredet werden, dass er herauskam. Er war sturzbesoffen, aber immer noch ziemlich komisch. Seine Freunde, gespielt von Morey Amsterdam und Rose Marie, gingen dann wieder, nachdem sie ein paar gute Gags losgeworden waren. Als Robs Frau ihm anschließend Vorhaltungen machte, schlug er sie heftig ins Gesicht. Sie saß auf dem Fußboden und begann zu weinen, nicht das berühmte Mary-Tyler-Moore-Geheule, sondern kleine, hilflose Schluchzer; die Arme um den Oberkörper geschlungen, flüsterte sie: »Schlag mich nicht, bitte, ich tue alles, was du willst, aber schlag mich nicht mehr.«
    »Scheiße, was ist das denn?«, sagte Shadow laut.
    Das Bild löste sich in phosphoreszierendes Geflimmer auf. Als es wieder da war, hatte die Dick Van Dyke Show sich undurchsichtigerweise in Hoppla Lucy verwandelt. Lucy versuchte gerade Ricky dazu zu überreden, dass sie den alten Kühlschrank durch ein neues Modell ersetzen durfte. Nachdem er gegangen war, setzte sie sich allerdings einfach auf die Couch, die Beine übereinander geschlagen, die Hände in den Schoß gelegt, und starrte geduldig, den Abstand der Jahre überbrückend, aus ihrem Schwarzweiß heraus.
    »Shadow?«, sagte sie. »Wir müssen uns unterhalten.«
    Shadow antwortete nicht. Sie öffnete ihre Handtasche und nahm eine Zigarette heraus, zündete sie mit einem teuren silbernen Feuerzeug an und legte das Feuerzeug dann wieder weg. »Ich rede mit dir«, sagte sie. »Was ist?«
    »Das ist verrückt«, sagte Shadow.
    »Während der Rest deines Lebens ganz normal ist, ja? Leck mich am Arsch.«
    »Egal. Dass Lucille Ball mich aus dem Fernseher heraus anredet, das finde ich noch um mehrere Klassen abgedrehter als alles, was mir bisher widerfahren ist«, sagte Shadow.
    »Nicht Lucille Ball. Lucy Ricardo. Und weißt

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