American Psycho
große Faust, die Knöchel treten weiß hervor.
»Was hast du damit gemacht?« fragt sie.
Ich lege eine Hand auf den Tisch. Sie nimmt sie.
»Ich habe es weggeworfen. Ich habe alles weggeworfen. Ich wollte es nehmen«, japse ich, »aber ich hab es weggeworfen.«
Sie drückt fest meine Hand. »Patrick?« fragt sie und schiebt ihre Hand hoch, bis sie meinen Ellbogen berührt. Als ich die Kraft finde, sie anzusehen, verblüfft es mich, wie sinnlos, langweilig körperlich schön sie eigentlich ist, und die Frage Warum nicht mit ihr? erscheint vor meinem inneren Auge. Eine Antwort: Sie hat einen besseren Körper als die meisten Mädchen, die ich kenne. Eine andere: Es ist sowieso jeder austauschbar. Und noch eine: Ist eh egal. Sie sitzt vor mir, mürrisch, aber hoffend, charakterlos, kurz davor, in Tränen auszubrechen. Ich erwidere ihren Händedruck, bewegt, nein, gerührt über ihre Blindheit für das Böse. Einen Test hat sie noch zu bestehen.
»Hast du einen Aktenkoffer?« frage ich schluckend.
»Nein«, sagt sie. »Habe ich nicht.«
»Evelyn schleppt immer einen Aktenkoffer mit«, werfe ich ein.
»Tut sie das …?« fragt Jean.
»Und was ist mit einem Filofax?«
»Einen kleinen«, gesteht sie.
»Designer?« frage ich mißtrauisch.
»Nein.«
Ich seufze, dann nehme ich ihre Hand, klein und hart, in meine.
… und in den südlichen Wüsten des Sudan steigt die Hitze auf in luftlosen Wellen, Tausende und Abertausende Männer, Frauen, Kinder durchstreifen das endlose Buschland auf der Suche nach Nahrung. Gezeichnet und hungernd ziehen sie eine Strecke toter, ausgezehrter Körper nach sich, essen Unkraut, Blätter und … Seerosenblätter, taumeln von Dorf zu Dorf, sterben einen langsamen Tod, unerbittlich, unaufhaltsam; ein grauer Morgen in elender Wüste, das Kind bedeckt mit Sand, fast tot, die Augen starr geöffnet, dankbar (halt inne und stell dir eine Welt vor, für einen Augenblick nur, in der jemand für etwas dankbar ist), und keiner aus dem Zug beachtet es, als sie vorbeiziehen, betäubt und leidend (nein – einer ist da, der hinschaut, der den Todeskampf des Jungen sieht und lächelt, wie in geheimem Wissen), der Junge öffnet und schließt lautlos den aufgesprungenen, ledrigen Mund, irgendwo weit weg ein Schulbus, und irgendwo, darüber, im All, erhebt sich ein Geist, eine Tür öffnet sich, er fragt »Warum?« – eine Heimstatt für die Toten, eine Unendlichkeit, schwebt es im Nichts, Zeit kriecht, Liebe und Trauer durchströmen den Jungen …
»Okay.«
Verschwommen nehme ich wahr, daß irgendwo ein Telefon klingelt. Im Café am Columbus Circle sind zahllose Mengen, Hunderte von Menschen, Tausende vielleicht, an unserem Tisch vorbeigegangen, während ich schwieg. »Patrick«, sagt Jean. Jemand mit einem Kinderwagen bleibt an der Ecke stehen und kauft ein Dove Bar. Das Baby starrt Jean und mich an. Wir starren zurück. Es ist wirklich seltsam, und ich erlebe eine spontane innere Empfindung, ich spüre, wie ich mich gleichzeitig nähere und entferne, und alles ist möglich.
Aspen
Es ist vier Tage vor Weihnachten, zwei Uhr nachmittags. Ich sitze im Fonds einer pechschwarzen Limousine, die vor einem unscheinbaren Brownstone-Haus an der Fifth Avenue parkt, und versuche einen Artikel über Donald Trump in der neuen Ausgabe von Fame zu lesen. Jeanette will, daß ich mit reinkomme, aber ich sage: »Vergiß es.« Sie hat ein blaues Auge von gestern abend, weil ich ihr bei einem Dinner im Il Marlibro einbläuen mußte, das hier auch nur in Erwägung zu ziehen; dann, nach einer handgreiflicheren Diskussion in meinem Apartment, nahm sie endlich Vernunft an. Jeanettes Dilemma liegt außerhalb meiner Vorstellung von Schuld, und ich hatte ihr in aller Aufrichtigkeit während des Dinners gestanden, daß es mir sehr schwerfällt, ihr ein Mitgefühl vorzuspielen, das ich nicht empfinde. Während der ganzen Fahrt von meiner Wohnung auf der Upper West Side hat sie geheult. Die einzige klare, faßbare Emotion, die sie ausstrahlt, ist Verzweiflung, vielleicht noch Sehnsucht, und obwohl ich sie für den größten Teil der Fahrt erfolgreich ignoriere, sehe ich mich schließlich gezwungen, ihr zu sagen: »Hör mal, ich habe heute morgen schon zwei Xanax genommen, es ist also, äh, selbst dir nicht möglich, mir auf die Nerven zu gehen.« Jetzt, als sie aus der Limo auf das eisglatte Pflaster stolpert, murmele ich: »Es ist das beste so«, und, als kleines Trostpflaster: »Nimm’s nicht so schwer.« Der Fahrer,
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