American Psycho
beschämt. »Ich … tut mir leid … ojeh.«
»Aber …«, setze ich ruhig hinzu, »du solltest dir keine … Sorgen machen.«
Sie schaut wieder auf, platzt fast vor Hoffnung.
»Dagegen läßt sich was tun«, sage ich. Ich weiß nicht, wie ich dazu komme, das zu sagen, und ändere mein Statement in ein unverblümtes: »Vielleicht aber auch nicht. Ich weiß nicht. Ich habe jede Menge Zeit mit dir verplempert, also ist es ja nicht so, als wäre es mir egal.«
Sie nickt dumpf.
»Du solltest nie Freundlichkeit mit … Leidenschaft verwechseln«, warne ich sie. »Das kann … schlecht ausgehen. Das kann dir, na ja, Ärger einbringen.«
Sie sagt nichts, und plötzlich kann ich ihre Traurigkeit spüren, flach und ruhig, wie einen Tagtraum. »Was versuchst du mir zu sagen?« fragt sie lahm und errötet.
»Nichts. Ich will dir nur zu verstehen geben … daß … der Schein trügen kann.«
Sie starrt auf die Times, die in dicken Falten auf dem Tisch gestapelt ist. Eine leichte Brise bringt sie kaum zum Flattern. »Warum … erzählst du mir das?«
Taktvoll – ich berühre fast ihre Hand, bremse mich aber – sage ich ihr: »Ich will nur zukünftige Mißverständnisse vermeiden.« Ein Hardbody geht vorbei. Ich registriere ihn, wende mich dann wieder Jean zu. »Oh, komm schon, mach nicht so ein Gesicht. Es gibt nichts, wofür du dich schämen müßtest.«
»Tue ich ja nicht«, sagt sie, versucht, sich locker zu geben. »Ich wollte nur wissen, ob du jetzt schlechter von mir denkst, weil ich das gesagt habe.«
Wie sollte sie auch verstehen, daß ich unmöglich enttäuscht sein kann, weil es für mich schon lange nichts mehr gibt, auf das zu freuen sich lohnt?
»Du weißt nicht besonders viel über mich, oder?« frage ich stichelnd.
»Ich weiß genug«, sagt sie, ihre erste Reaktion, aber dann schüttelt sie den Kopf. »Oh, lassen wir das. Ich habe einen Fehler gemacht. Es tut mir leid.« Im nächsten Moment hat sie es sich anders überlegt. »Ich möchte mehr wissen«, sagt sie ernst.
Ich überdenke das, ehe ich antworte: »Bist du sicher?«
»Patrick«, sagt sie atemlos, »ich weiß, daß mein Leben ohne dich … viel leerer wäre.«
Auch das bedenke ich, nicke versonnen.
»Und ich kann einfach nicht …« Sie bricht frustriert ab. »Ich kann nicht so tun, als würden diese Gefühle nicht existieren, oder?«
»Schhhh …«
… es gibt eine Idee Patrick Bateman, einen abstrakten Entwurf, aber kein wahres Ich, nur eine Erscheinung, etwas Schemenhaftes, und obwohl ich in der Lage bin, mein kaltes Starren zu verbergen, und du mir die Hand schütteln kannst und dabei Fleisch spürst, das dein Fleisch umschließt, und vielleicht sogar das Gefühl hast, unser Lebensstil sei vergleichbar: Ich bin einfach nicht da. Es fällt mir in jeder Beziehung schwer, Hand und Fuß zu haben. Mein Ich ist künstlich, eine Anomalie. Ich bin ein unkontingentes menschliches Wesen. Meine Persönlichkeit ist rudimentär und ungeformt, meine Herzlosigkeit geht tief und ist gefestigt. Mein Bewußtsein, mein Mitgefühl, meine Hoffnungen, sind schon lange verschwunden (vielleicht in Harvard), als hätten sie nie existiert. Es gibt keine Grenzen mehr zu überschreiten. Alles, was mich gemein macht mit den Unkontrollierten und Wahnsinnigen, den Grausamen und Bösen, all die Blutbäder, die ich verursacht habe, und meine völlige Gleichgültigkeit darüber, habe ich jetzt selbst übertroffen. Und trotzdem klammere ich mich an eine einzige platte Wahrheit: Niemand ist sicher, nichts ist gesühnt. Und doch bin ich schuldlos. Jedem Modell menschlicher Verhaltensmuster muß eine gewisse Berechtigung zugestanden werden. Ist das Böse etwas, was man ist? Oder ist es das, was man tut? Mein Schmerz ist konstant und schneidend, und ich hoffe für keinen auf eine bessere Welt. Tatsächlich will ich, daß meinen Schmerz auch andere erleiden. Ich will, daß keiner davonkommt. Aber selbst nach diesem Eingeständnis – das ich zahllose Male gemacht habe, bei fast allen Taten, die ich begangen habe – und nachdem ich mich der Wahrheit gestellt habe, tritt keine Katharsis ein. Ich erfahre keine tiefere Wahrheit über mich selbst, keine neue Erkenntnis kann aus meiner Beichte gezogen werden. Ich hatte gar keinen Grund, Ihnen das zu erzählen. Dieses Geständnis hat nichts zu bedeuten …
Ich frage Jean: »Wie viele Menschen auf der Welt sind wie ich?«
Sie zögert, antwortet dann vorsichtig, »Ich glaube … niemand?« Sie schwimmt.
»Laß mich die Frage
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