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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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aber unsere Staatsform enthält etwas, was uns vor uns selber schützt.« Die amerikanische Demokratie sei sowohl anpassungsfähig als auch stabil. »Sie war nicht nur gefeit gegen alle Angriffe von außen, sondern auch gegen unsere eigenen Dummheiten, die manchmal gefährlicher sind.«
    Ich muss Steinbeck recht geben. Wer The American Future: A History von dem britischen Historiker Simon Schama gelesen hat, wird den Anfang des Buches nicht mehr vergessen. Es ist die minutiöse Schilderung eines caucus , einer Vorwahl zu den Präsidentschaftswahlen 2008, in Des Moines-West, Iowa. Zu diesem caucus kamen Nachbarn zusammen, deren Kinder dieselbe Schule besuchen, die aber selten oder nie miteinander über Politik sprechen. Hier taten sie es, und Schama war überrascht von der harmonischen Stimmung trotz aller Meinungsverschiedenheiten. Der caucus sei ein Akt rechtschaffenen Bürgersinns, meint er. Jeder gab einem Kandidaten buchstäblich seine Stimme, namentlich. »Und so hörte man dort die Vox Populi von Des Moines«, schreibt Schama, »von alten Tanten, Highschool-Tenören, heiseren Taxifahrern und feierlich sprechenden Anwälten.« Seitdem glaubte er genau angeben zu können, wann sich die amerikanische Demokratie nach langen Jahren der Mutlosigkeit wieder aufgerafft habe: »am 3. Januar 2008 um 19:15 Uhr Central Time, Wahlbezirk 53, in der Theodore Roosevelt High School«.
    Die politische Geschichte der Vereinigten Staaten ist auch eine Geschichte von Gaunereien und Korruptionsskandalen. Dass gewaltige Summen eingesetzt werden – ganz gleich aus welcher Quelle sie stammen –, um eine politische Position zu erobern oder zu festigen, wird als normal empfunden. Geht jemand nur um seiner Ideale willen in die Politik, wie zum Beispiel Adlai Stevenson, gilt er in manchen Kreisen sogar als verdächtig. Dennoch: Wer jemals einen amerikanischen Wahlkampf aus der Nähe erlebt hat, nicht nur die Diskussionen, sondern auch das Engagement und die Begeisterung von Hunderttausenden telefonierenden und Prospekte verteilenden Freiwilligen, wird die Lebenskraft der amerikanischen Demokratie nicht so leicht unterschätzen.
    Aber existiert Steinbecks »freundlicher, humorvoller Schutzgeist« noch? Funktioniert noch jenes System gegenseitiger Kontrolle, gilt noch das Prinzip der Gleichgewichte, das als checks and balances in der Verfassung festgeschrieben wurde? Das ist die große Frage.
    Schon seit Jahren ist die amerikanische Politik geprägt von der Konfrontation zweier festgefügter Blöcke, eines konservativen und eines progressiven, die das parlamentarische System lähmt. Das Vertrauen in den Kongress als Institution ist seit 1977, als die New York Times zum ersten Mal eine Umfrage zu diesem Thema veranstaltet hat, noch nie so gering gewesen. Diese Lähmung ist etwas Neues. Und man muss sie teilweise der Struktur des Systems selbst zuschreiben.
    Die Gründerväter glaubten, dass die Macht vor allem bei den Regionen liegen sollte. Ihrer Ansicht nach war auch ein großes Land wie die Vereinigten Staaten am besten von lokalen Gemeinschaften aus zu regieren. Deshalb auch jene Kandidatenkür durch Mitglieder und Anhänger einer Partei, die Simon Schama so beeindruckend fand: Tatsächlich bildet das basisdemokratische Element den Kern des amerikanischen Systems. Im Gegensatz zu vielen europäischen Staatsgebilden sind die Vereinigten Staaten von Amerika nicht um eine bereits bestehende Macht wie etwa eine Dynastie herum entstanden. Das hat bis heute weitreichende Folgen für die Zentralregierung in Washington, vor allem, da die Vereinigten Staaten in immer mehr Bereichen – nicht nur in der Außenpolitik, sondern zum Beispiel auch in Wirtschaft und Infrastruktur – als ein Land agieren müssen. Ob bei Abraham Lincoln, Franklin D. Roosevelt, Ronald Reagan oder Barack Obama, in den politischen Auseinandersetzungen ging und geht es immer auch um die Frage: Wie viel Macht darf die Bundesregierung haben?
    Ein Staat wie Wyoming mit einer halben Million Einwohnern hat im Senat das gleiche Gewicht wie Kalifornien mit siebenunddreißig Millionen Einwohnern. Eine Minderheit von 41 der 100 Senatoren kann durch den sogenannten Filibuster oder prozeduralen Filibuster, eine Dauerrede oder ihre Androhung, die Abstimmung über ein Gesetzesvorhaben verzögern oder verhindern, da eine Begrenzung der Redezeit oder der Abbruch einer Rede nur mit einer Dreifünftelmehrheit durchgesetzt werden können. Die Senatoren und Mitglieder des

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