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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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es keine soliden Studien dazu. Die National Rifle Association, eine der mächtigsten Interessenvertretungen, hat dafür gesorgt, dass für die Erforschung der Folgen von Schusswaffengebrauch heute viel weniger Mittel zur Verfügung stehen als in den neunziger Jahren. Und die Tabakindustrie konnte jahrelang verhindern, dass die Gefahren des Rauchens in großem Umfang erforscht wurden.
    Müsste nicht das Bankwesen schnell anders reguliert werden? Obwohl die meisten Ökonomen sich dafür aussprechen, sabotiert die mächtige Bankenlobby fast jeden Schritt in diese Richtung. Wie steht es mit den Steuern? General Electric, wie alle großen Unternehmen von einer starken Lobby vertreten, brauchte dank einer Reihe gut verteidigter Lücken in der Steuergesetzgebung für das Jahr 2010 nicht einen Cent Steuern zu zahlen, und das bei einem Gesamtgewinn von 14,2 Milliarden Dollar (in den Vereinigten Staaten 5,1 Milliarden). Und damit nicht genug: Das Unternehmen erhielt auch noch 3,2 Millionen Dollar an Subventionen, aus Steuergeldern, versteht sich.
    Oder um ein ganz anderes, besonders heikles Problem anzusprechen: Dient die einseitig proisraelische Nahostpolitik der Vereinigten Staaten noch amerikanischen Interessen? Schon diese Frage zu stellen ist in den Augen der konservativ-protestantischen Wählerschaft und eines Teils der jüdischen Wähler ein Sakrileg. Wer die israelische Regierung unterstützt, gleichgültig, was sie sagt oder tut, wird von einigen Milliardären mit Millionenbeträgen subventioniert; wer sich kritisch über die Politik Israels äußert, muss auf der Hut sein. Kaum ein Politiker kann es sich erlauben, die Gunst des American Israel Public Affairs Committee zu verspielen.
    Durch all diese Kräfte werden die demokratischen Entscheidungsprozesse mehr und mehr gestört. In welchem Ausmaß, zeigen die Ergebnisse zahlreicher Umfragen: Die Standpunkte, die in der politischen Debatte am lautesten vertreten werden, haben oft nichts mehr mit den Ansichten einer Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung gemeinsam. Dennoch werden die Möglichkeiten finanzieller Einflussnahme auf die Politik noch erweitert. Für die Befürworter ist diese Art der Parteienfinanzierung eine Form der freien Meinungsäußerung. Der Oberste Gerichtshof teilt diese Ansicht. Er urteilte im Jahr 2010, dass juristische Personen das gleiche Recht auf freie Meinungsäußerung besitzen wie natürliche Personen. Praktisch bedeutet dies, dass Unternehmen und Verbände über sogenannte Super Political Action Committees den Wahlkampf eines Kandidaten finanziell im gleichen Umfang unterstützen dürfen wie Privatpersonen. Mit dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof in den Worten des Rechtsphilosophen Ronald Dworkin »den Lobbyisten, ohnehin schon viel zu mächtig, eine Atomwaffe gegeben«.
    »Früher hatte es doch mal so ein Ding oder Handelsgut gegeben, dem wir großen Wert beigemessen haben«, hatte Steinbecks Freund, der politische Journalist, noch gesagt. »Man nannte es the People , das Volk, die Leute. Finde raus, wo die hin sind.«
    Was lässt sich heute über dieses Volk sagen? Auch bei den amerikanischen Wählern machen sich einschneidende Veränderungen bemerkbar. Die Erste ist demographischer Art, und sie wird außerhalb der Vereinigten Staaten oft nicht ausreichend zur Kenntnis genommen. Der Anteil der Menschen europäischer Herkunft an der Gesamtbevölkerung nimmt Jahr für Jahr ab, während zum Beispiel der Anteil von Menschen lateinamerikanischer oder asiatischer Herkunft beständig wächst.
    Heute sind noch zwei Drittel der Bevölkerung ganz oder vorwiegend europäischer Abstammung, im Jahr 2050 werden es weniger als die Hälfte sein. Amerikaner anderer Herkunft und Vorgeschichte, vor allem mit lateinamerikanischen, chinesischen und afrikanischen Wurzeln, sind dann die Mehrheit. Schon heute steht Europa in der Außenpolitik der Vereinigten Staaten nicht mehr an oberster Stelle. Diese Verschiebung der Interessen und Bezugspunkte kann langfristig weitreichende Folgen haben. Da Angehörige ethnischer Minderheiten heute in der Regel die Demokraten wählen – 2008 haben 80 Prozent von ihnen Obama ihre Stimme gegeben –, ist auch parteipolitisch mit schwerwiegenden Konsequenzen zu rechnen.
    Die zweite Veränderung – die man übrigens auch in Europa beobachten kann – ist ein Einstellungswandel bei vielen Wählern: Wenn es um das Verhältnis von Wählern und Gewählten geht, wird unter Gleichheit immer häufiger Gleichartigkeit

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