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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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aber auch mexikanischer, japanischer oder chinesischer Abstammung. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurde in manchen Orten am Hudson auf Niederländisch gepredigt – dem Niederländisch des 17. Jahrhunderts. Und noch vor fünfzig Jahren sprachen im Hügelland von Kentucky viele Menschen eine Art elisabethanisches Englisch.
    Das American Human Development Project hat im Frühjahr 2010 unter dem Titel A Century Apart eine detailreiche Studie über das Leben der Durchschnittsamerikaner veröffentlicht. Auch diese Untersuchung zeigt, dass die Vereinigten Staaten im Grunde keineswegs ein Schmelztiegel sind. Zum Beispiel gibt es in den nordöstlichen Staaten viele sogenannte high-trust -Gebiete, deren Bewohner sowohl ihren Mitmenschen insgesamt als auch dem Staat ein hohes Maß an Vertrauen entgegenbringen; es sind zugleich Regionen mit einem hohen durchschnittlichen Bildungsniveau und relativ guten staatlichen Leistungen. Andererseits gibt es in den Südstaaten Regionen mit wenig sozialem Vertrauen und ungewöhnlich niedriger durchschnittlicher Bildung.
    Entsprechend groß sind die Unterschiede in der Lebensqualität, vergleichbar vielleicht mit den Gegensätzen zwischen den ländlichen Regionen Polens und einem Außenbezirk von Paris. So lebt beispielsweise ein Amerikaner asiatischer Herkunft in New Jersey durchschnittlich sechsundzwanzig Jahre länger als ein native American in South Dakota, und die Wahrscheinlichkeit, dass er ein Universitätsstudium absolviert, ist elfmal so hoch. Ähnlich groß sind die Unterschiede zwischen einem Amerikaner europäischer Abstammung in Connecticut und einem Afroamerikaner in Arkansas.
    Steinbeck wunderte sich während seiner Reise immer wieder über die bloße Tatsache, dass so etwas wie die Vereinigten Staaten existierte. »Vier Jahrhunderte der Arbeit, des Blutvergießens, der Einsamkeit und der Furcht haben es erst geschaffen«, schreibt er in Amerika und die Amerikaner . »Wir erbauten Amerika und wurden dadurch zu Amerikanern – einer neuen Art, mit Wurzeln in allen anderen Rassen, in allen Farben getönt, einer scheinbaren Völkeranarchie. Dann, in sehr kurzer Zeit, glichen wir einander mehr, als wir uns unterschieden – eine neue Gesellschaft; nicht groß, aber gerade durch unsere Fehler für Größe gerüstet: E pluribus unum .«
    E pluribus unum , aus vielen Eines, es bleibt ein Ziel, keine Tatsache. In Joes Wohnzimmer entwickelt sich an diesem Abend schnell eine Diskussion, wie sie ähnlich auch in Europa geführt wird: Warum müssen wir in Minnesota für die Misswirtschaft in Kalifornien mitbezahlen? Wie lange müssen wir noch den Wasserdiebstahl der Kalifornier dulden, die ihre Fühler jetzt sogar schon nach den Großen Seen ausstrecken? Sollen wir über die neue National Health Care auch noch für die vielen Illegalen in Arizona zahlen, die selbst keinen Cent beitragen? Und das, obwohl unser Gesundheitswesen in Minnesota hervorragend funktioniert und auch nicht zu teuer ist?
    Je größer die Entfernung von Washington, desto deutlicher ist zu spüren, dass man es bis zu einem gewissen Grad mit Vereinigten Staaten im Wortsinn zu tun hat: einer Summe souveräner Nationen, die eine Union bilden, wobei aber der Einzelstaat ein größeres politisches Gewicht behält. Natürlich spielen bei Wahlen die Gegensätze zwischen Demokraten und Republikanern eine große Rolle, aber den meisten Wählern in Minnesota kommt es vor allem darauf an, dass die Männer oder Frauen, die für Minnesota in den Senat geschickt werden, dort die Interessen ihres Staates vertreten.
    In dieser Hinsicht sind die Vereinigten Staaten dem uneinigen Europa ähnlicher, als ich gedacht hatte. Wie die meisten Amerikaner hegen meine Gesprächspartner eine tiefe Abneigung gegen staatliche Regelwut, doch es sind vor allem die Regelungen auf Bundesebene, die ihren Zorn wecken. Und ihre Klagen über Washington klingen so wie die Klagen von Europäern über Brüssel. »Die Bundesregierung ist übrigens […] nur eine Ausnahme; die Staatenregierung ist die geltende Regel«, schrieb Tocqueville im Jahr 1835, und für die meisten Amerikaner gilt diese Reihenfolge noch heute.
    »Wir werden von Washington aus von den klügsten Leuten regiert, the best and the brightest «, sagt Joe. »Sie entwerfen die großartigsten Pläne, davon sind sie zutiefst überzeugt. Aber sind es wirklich so großartige Pläne? Nein, weil diese Leute die Alltagswirklichkeit nicht kennen. Das gilt für unsere Kriege in fernen Ländern, aber

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