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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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genauso gut für das, was sie hier tun, in fly-over country , dieser vagen Unendlichkeit, die sie nur von ihren Flugzeugsitzen in achttausend Metern Höhe aus wahrnehmen.«
    Ich erinnere mich an eine Karte der Vereinigten Staaten, die 2009 in der Zeitschrift The Economist abgedruckt war. Darauf trug jeder Bundesstaat den Namen eines Landes der übrigen Welt, mit dem er hinsichtlich der Wirtschaftsleistung vergleichbar sein sollte. Kalifornien hieß auf dieser Karte Italien, Texas Russland, Louisiana Israel, Florida Niederlande, Michigan Taiwan, Ohio Belgien.
    Wir reisen gerade durch Thailand.
    Morgen geht es weiter in Richtung Uruguay, Libanon, Sudan und Griechenland. Und dann, über Pakistan, endlich nach Italien!

TEIL FÜNF
    »Uncle Sam sends you an invitation …«
    WERBEBROSCHÜRE
FÜR EUROPÄISCHE IMMIGRANTEN,
UM 1910

1
    Eine kühle Morgensonne hängt über dem Land. Im Frühstückscafé geht es bei Fox News wieder einmal wie gewohnt zur Sache. Terroristen bedrohen die Vereinigten Staaten. Das neue Gesundheitssystem widerspricht der Verfassung. Ein Herbststurm bedroht die Ostküste.
    Alles ist gefährlich, alles wird dazu benutzt, den Adrenalinpegel hoch zu halten.
    Der Links-rechts-Konflikt spielt eine weniger wichtige Rolle, als ich gedacht habe. Dafür fällt ein anderer Gegensatz immer mehr auf: der zwischen lokal und national (und der übrigen Welt). Immer wieder wird versucht, das Ungreifbare wieder greifbar zu machen, um eine Welt, die dem einfachen Mann und der einfachen Frau aus den Händen geglitten ist, zurückzuerobern.
    Für Fox ist die Wahrheit – oder besser gesagt: die Suche nach der Wahrheit – vollkommen irrelevant. So macht hier, um nur ein Beispiel zu nennen, die Geschichte die Runde, in den liberalen Niederlanden bringe man im großen Maßstab alte Leute um, in mindestens der Hälfte der Euthanasiefälle werde Zwang ausgeübt, und niederländische Senioren, die noch eine Weile leben wollten, trügen ein Band mit der Aufschrift: »Bitte keine Euthanasie.«
    Die Menschen, mit denen man redet, sind felsenfest davon überzeugt, dass dies auch den Tatsachen entspricht. Und sie haben sich das nicht selbst ausgedacht, sondern das ist das Ergebnis all des Unsinns, mit dem bestimmte amerikanische Massenmedien das Publikum Tag für Tag überschütten, ob das die angebliche Mordlust der Muslime ist, die Geburtsurkunde des Präsidenten, die »Massenvernichtungswaffen« des Irak, der in Europa herrschende »Sozialismus« oder die Art und Weise, wie niederländische Ärzte die Sterbehilfe praktizieren.
    Es handelt sich um ein Bombardement mit »Faktoiden«, wie Norman Mailer sie einmal genannt hat, fabrizierte Wahrheiten, die nur dazu dienen, die Vorurteile des durchschnittlichen Fernsehkonsumenten aufrechtzuerhalten, zu verstärken und sie immer wieder mit neuen interessanten Geschichten auszuschmücken.
    Wir wollen Steinbecks Spur in Sauk Centre wieder aufnehmen, einen Vormittag in Richtung Norden. Vorher schauen wir noch bei der Jeep-Werkstatt vorbei, unsere Antenne ist abgebrochen, und der Radioempfang ist dadurch nicht besser geworden. Als Ausländer werden wir mit der größten Herzlichkeit begrüßt, alle kümmern sich um unser kleines Problem, und schließlich gelingt es dem Professor des Betriebs – Brille, winziger Schraubendreher, auf der Unterlippe kauend – die Reste der alten Antenne zu entfernen.
    »Was führt Sie in Gottes Namen hierher?«, fragt er. »Hierhin verirrt sich nie jemand.«
    Es wird eifrig hin und her telefoniert: In Detroit Lakes, ein paar Hundert Meilen weiter, liegt morgen für uns eine neue Antenne bereit. Mindestens eine halbe Stunde lang war man mit uns beschäftigt, aber nein, natürlich kostet das nichts, wo denken Sie hin? »Schön, dass Sie hier sind!«
    Dann machen wir uns auf den Weg. Wir fahren an Clara vorüber: dreißig Häuser, eine große Ethanolfabrik, ein funeral home , riesige silberne Silos, ein Rohr, aus dem pausenlos ein dicker gelber Maisstrom fließt. Danach erneut eine schnurgerade Straße, alle fünfzehn, zwanzig Meilen ein paar Häuser, dann wieder Ebene.
    Wenige Stunden später taucht am Horizont eine kleine Stadt auf: Sauk Centre, die Mutter aller Main Streets, der Geburtsort von Harry Sinclair Lewis, dem Autor des Klassikers Main Street , einem komischen und zugleich traurigen Porträt des kleinstädtischen Amerika in seiner spießigsten Variante. Als das Buch 1920 erschien, sorgte es für eine Sensation. Seitdem ist Gopher Prairie, wie

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