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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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Bussen ziehen die Amerikaner heute zu dem ehemaligen Schlachtfeld. In der Ferne dröhnt die Interstate 90. Dort, wo die gefallenen Kavalleristen gefunden wurden, stehen weiße Steine als Markierung. Das Gelände erinnert an einen Soldatenfriedhof, aber die Leichen sind anderswo begraben. Es gibt ein kleines Museum mit verrosteten Gewehren und Pistolen, die man bei Ausgrabungen gefunden hat, und einigen der vielen Hundert Pferdeschädel.
    Ein paar menschliche Schädel hat man untersucht und sogar einige Gesichter rekonstruiert. Eine dieser Rekonstruktionen passt genau zu einem Foto des Kundschafters Mitch Boyer, der Custer von einem Angriff abgeraten hatte. Die Zähne zeigen Spuren intensiven Pfeifenrauchens, und Boyer war tatsächlich ein starker Raucher gewesen. Im Gegensatz zu seinem Kommandanten hatte er die Chance, diesen Einsatz zu überleben, nie für groß gehalten. Wenn er denn sterben müsse, sagte er, dann sei es für ihn ein Trost, so viele Gegner ins Jenseits befördert zu haben, dass seine Feinde ihn in dieser Hinsicht niemals würden einholen können. Sein Schädel wurde erst 1983 gefunden, in einer Senke, wo die letzten Soldaten aus Custers Kompanie abgeschlachtet worden waren.
    An den weißen Steinen auf dem Hügel lässt sich das Drama gut nachvollziehen. Manche stehen dicht beieinander, weiter hinten in dem braunen Tal erstreckt sich eine dünnere Spur aus Steinen, oben am Hügelrand stehen noch zwei. Man kann erkennen, was in etwa passiert ist, wie immer mehr Männer auf Teufel komm raus über den flachen Hügel rannten, durch das dahinterliegende Tal, wie einer nach dem anderen fiel, die meisten an der tiefsten Stelle. Einer konnte entkommen und wurde dann oben auf dem Hügel doch noch getötet.
    Am Weg steht ein kleiner Stein aus rotem Marmor für die gefallenen Lakota-Krieger: »Sie starben hier bei der Verteidigung der Lakota-Existenz.«
    Sitting Bull, der Anführer der Lakota, wurde auf seine Weise auch eine Art Held. Der Große Sioux-Krieg verebbte nach einem Jahr in Verhandlungen und einzelnen Scharmützeln. Danach ließ Sitting Bull sich im Südwesten des ihm zugewiesenen Reservats nieder, reiste einige Male in die großen Städte an der Ostküste und trat 1885 sogar in Buffalo Bill Codys Wildwest Show auf, in der als Höhepunkt Custers Last Stand nachgespielt wurde. Inzwischen waren die Bisons beinahe ausgerottet worden. Die Indianer in den Reservaten versuchten, sich durch Landbau zu ernähren, doch im Dezember 1890 waren nach Jahren der Trockenheit die Vorräte aufgebraucht. Einer nach dem anderen starb vor Hunger oder Krankheit, auch ein Kind Sitting Bulls.
    Ein Medizinmann tauchte auf, Wovoka. Er prophezeite, dass eine große Schlammlawine über die Erde kommen würde, unter der die Weißen endgültig begraben werden würden. Danach kämen die Bisons wieder und auch manche der geliebten Vorfahren. Seine Anhänger meinten, mit Hilfe des Geistertanzes mit den Toten sprechen zu müssen. Wovoka predigte keine Gewalt, aber die Autoritäten fürchteten das Schlimmste.
    Gerüchte kamen auf, Sitting Bull stehe kurz davor, sich der Bewegung anzuschließen. Ein Haftbefehl gegen ihn wurde ausgestellt, eine Gruppe Lakota-Polizisten – es gab auch Kollaborateure – drang abends in Sitting Bulls Hütte ein, im Dunkeln kam es zu einem Handgemenge mit dessen Anhängern. Eine Kugel traf den Häuptling in die Brust und tötete ihn, anschließend schlug ein rachsüchtiger Lakota-Polizist sein Gesicht zu Brei.
    Am 28. Dezember, zwei Wochen nach der Ermordung Sitting Bulls, ergab sich eine Gruppe Geistertänzer von den Minneconjou, einem Stamm der Lakota-Sioux, bei Wounded Knee einer amerikanischen Armeeeinheit. Es handelte sich um ebenjenes 7. Kavallerieregiment, zu dem auch Custer und seine Männer gehört hatten. Sturzbetrunken verhörten und folterten einige der Offiziere und Soldaten in der darauffolgenden Nacht die Indianer, um zu erfahren, wer von ihnen an der Schlacht am Little Bighorn teilgenommen hatte. Die Indianer sagten, sie wüssten von nichts.
    Am nächsten Morgen stellten sich die Soldaten im Kreis um die Indianer auf, unter denen sich viele Frauen und Kinder befanden. Die Männer mussten ihre Waffen abgeben und sollten anschließend weggeführt werden. Unbeabsichtigt löste sich ein Schuss, und sofort eröffneten die Kavalleristen das Feuer. Innerhalb weniger Minuten lagen mehr als achtzig Minneconjoukrieger tot am Boden. Die Frauen und Kinder flohen, wurden jedoch zum Teil von den

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