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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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extra gebaute Rollstuhl, in dem Präsident Franklin D. Roosevelt herumgefahren wurde, als er im August 1934 die riesige Baustelle besuchte. Roosevelt war tief beeindruckt, er erteilte die Erlaubnis, die Staumauer höher zu bauen als ursprünglich geplant, und integrierte das Projekt schließlich in sein New-Deal -Programm.
    Der Damm wurde nicht umsonst mit der Cheopspyramide verglichen. Allerdings dient er nicht dazu, eine fremde Nation oder das eigene Volk zu beherrschen, sondern die Natur.
    Im Laufe unserer Reise sind wir über Hunderte von Brücken und durch Hunderte von Tunneln gefahren, die – ihrem Baustil nach zu urteilen – in den dreißiger und vierziger Jahren errichtet wurden, wir haben Tausende von Meilen auf imposanten Interstate Highways aus den fünfziger und sechziger Jahren zurückgelegt, fortwährend begegneten wir Bauwerken, die entstanden waren, weil Amerika in all diesen Jahrzehnten viel Geld, Energie und Phantasie in den öffentlichen Sektor investiert hatte.
    Heute beobachten wir das Gegenteil. Die New York Times berichtet, dass der Bau des dringend benötigten Eisenbahntunnels unter dem Hudson, der New York und New Jersey miteinander verbinden soll, wegen Geldmangel nicht erfolgen wird. An dem Plan war zwanzig Jahre lang gearbeitet worden. Die heutige, etwa hundert Jahre alte Eisenbahnverbindung kann den Pendlerverkehr nicht mehr bewältigen. Der Tunnel wäre ein großes und teures Projekt gewesen, doch für ein so dicht besiedeltes Gebiet ist es alles andere als ein Luxus. Überall in der westlichen Welt werden solche Tunnel gebaut.
    »Wir reden hier von einem Eisenbahntunnel«, schreibt der Kolumnist Bob Herbert wütend in der New York Times . Wie könne es sein, dass eine Nation, die den Eriekanal, den Hoover Damm und Eisenbahnlinien quer über den Kontinent gebaut hat, nicht mehr in der Lage ist, einen solchen Tunnel hinzubekommen? »Es handelt sich hierbei nicht um eine Reise zum Mond. Das ist nicht das Manhattanprojekt. Was ist mit uns los? Die Chinesen könnten ihn bauen. Die Türken würden ihn bauen können. Wir können es nicht.«
    Ja, warum nicht?
    In der Julinummer der Zeitschrift Holiday , in der 1961 John Steinbecks erste Version des Berichts von seiner Amerikainspektion erschien, stand auch eine Reportage über die schönsten Reisen, die man in Amerika mit dem Zug machen konnte. Der Artikel hatte einen leicht nostalgischen Ton, denn die Glanzzeiten der Eisenbahn waren schon damals vorbei. 1911 zum Beispiel verkehrte einmal pro Woche ein spezieller Luxuszug zwischen Chicago und Los Angeles, in dem die Passagiere– gegen 25 Dollar Aufpreis – die Dienste eines insgesamt siebzigköpfigen Personals in Anspruch nehmen konnten, inklusive Friseur, Maniküre, Sekretär und Kindermädchen. Es gab Badewannen und Duschen im Zug, den Reisenden standen eine Bibliothek, telegraphische Nachrichten und ein Börsenfernschreiber zur Verfügung, und wenn die Dämmerung einsetzte, wurden in den Abteilen stereoskopische Bilder der Landschaft projiziert.
    1961 war von diesen glanzvollen Zügen nur noch der Broadway Limited übrig, die Luxusverbindung zwischen New York und Chicago, siebzehn oder achtzehn Waggons in toskanischem Rot und Gold, superschnell und auf die Sekunde pünktlich, »jagend durch die Nacht in einem Sturm prunkvoller Privatsphäre und luxuriösen Lounges«. Im Jahr 2010 stößt man überall im Land auf stillgelegte Gleise und vergessene Bahnhöfe. Wenn man etwa nach San Francisco fliegt, sieht man kurz vor der Landung die Überbleibsel dieses Dramas: eine große, verrostete, halb offene Eisenbahnbrücke über dem südlichen Teil der Bucht, die klar konturierte Trasse der alten Strecke nach Oakland ist zwischen Häusern und Unkraut immer noch deutlich zu erkennen. Und so ist es auch anderswo.
    Vor Jahren habe ich einmal mit dem Zug eine Rundreise durch die Vereinigten Staaten gemacht, die sechs Wochen dauerte und von New York nach New Orleans führte, dann über Houston an der Südgrenze entlang nach Los Angeles, anschließend nach Oakland, weiter durch die Rocky Mountains nach Chicago und wieder zurück nach New York. Mit allerlei Tricks und Kniffs ist diese Reise immer noch möglich, obwohl manche Strecken nur noch sporadisch befahren werden. In einem zweigeschossigen silbernen Amtrak Superliner glitten wir gemächlich durch das Land, Tausende von Meilen. Hin und wieder, wenn wir auf Eisenbahngelände waren, konnte man meinen, wir befänden uns in einem bombardierten Gebiet:

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