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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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Erwachsenenalter erreichten. Elisabeth muss eine anziehende Frau gewesen sein: Schon wenige Monate nach Dumontrets Tod im Frühjahr 1729 heiratete sie einen viel jüngeren Mann, Pierre Monet. Mit ihm hatte sie weitere sechs Kinder.
    Wie die Tochter von Pfarrer Williams blieb auch Elisabeth zeitlebens in Verbindung mit ihren Verwandten in Deerfield, und auch sie war nicht zur Rückkehr zu bewegen. Wie aus den erhaltenen Dokumenten hervorgeht, hat sie aber die Hinterlassenschaft der Mutter mit ihren Brüdern geteilt: 17 Pfund und 4 Schilling, drei Meter Spitze, einen Kindermantel sowie »eine Schachtel & was darin war«.
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    Steinbeck fror in der Nacht nach seinem Besuch in Deerfield. In seinen Briefen erwähnt er Temperaturen um den Gefrierpunkt. Er fuhr noch etwas weiter nach Norden, durch Vermont, dann ostwärts nach New Hampshire und in die White Mountains. Er meinte, die Dörfer seien »die hübschesten in ganz Amerika«, sauber, mit lauter weiß gestrichenen Häusern, »und – lässt man die Motels und Touristenzentren beiseite – seit hundert Jahren unverändert, bis auf den Verkehr und die asphaltierten Straßen«. In den Bergen wurde es schnell kälter, Steinbeck bewunderte die Farbenpracht der Bäume mit ihren unglaublichen Rot- und Gelbtönen. »Das ist nicht nur Farbe, das ist ein Glühen, als hätten die Blätter das Licht der Herbstsonne gierig aufgesogen und ließen es nun langsam wieder frei.«
    Die kleinen Zwillingsstaaten Vermont und New Hampshire sind sich auf den ersten Blick sehr ähnlich, aber bei genauerem Hinsehen entdeckt man große Unterschiede. Das raue New Hampshire hat sich schon früh zu einem Industrieland entwickelt, die Böden sind karg. Vermont dagegen besaß immer fruchtbare Böden und war ein typisches Agrarland. Als John Gunther den Staat im Jahr 1945 besuchte, kam es ihm so vor, als habe die industrielle Revolution dort noch gar nicht stattgefunden. In New Hampshire hatte er überall verfallene Höfe gesehen, in Vermont waren die Farmen tadellos in Schuss, überwiegend Milchbetriebe, oft schon seit Generationen in Familienbesitz. Diese agrarische Gesellschaft war bekannt für ihre Nachbarschaftshilfe. Und für das Selbstwertgefühl der Menschen. »Hier ist es so, dass die Leute – und das gilt auch für Angestellte – nicht für einen arbeiten, sondern einem aus der Klemme helfen«, sagte ein Gesprächspartner Gunthers. Die Menschen fühlten sich dem Land eng verbunden. »Sie sind sich darüber im klaren, was zwei Schneewochen mehr für ihre Ernten bedeuten. Sie haben ein Gespür für Wetter und Jahreszeiten und wissen, wie gnadenlos Überschwemmungen und Frost zuschlagen können.«
    Jahr für Jahr bereitet sich Vermont von Ende September an auf den Winter vor, das ist 2010 nicht anders als 1945 und 1960. Die Äcker sind leer, neben den Scheunen liegen hohe Brennholzstapel, vor manchen Läden hängt schon jetzt die Weihnachtsreklame: Best Christmas Shop in Town .
    Und wir schaukeln weiter durch die endlosen Wälder von Vermont, hügelauf, hügelab; Grün, Gelb, Orange, so weit das Auge reicht. Bei Bradford liegt auf der anderen Straßenseite ein Auto im Graben, es hat sich überschlagen, eine junge Frau und zwei Kinder stehen daneben. Die Herbstfarben links und rechts der Highways 91, 5 und 10 sind nicht weniger spektakulär als vor einem halben Jahrhundert, aber es ist nicht kühl, sondern immer noch merkwürdig warm, wie an einem Sommertag. Die Zeit hat auch in den Dörfern ihre Spuren hinterlassen; Tankstellen, Supermärkte, Hamburgerrestaurants, Hotelkästen – die ungeregelte Bebauung, die für die Vereinigten Staaten insgesamt typisch ist, prägt auch hier die Ortsränder. Davon abgesehen hat die Kulturlandschaft nichts von ihrem Reiz verloren, dank der unzähligen traditionellen Wohn- und Farmhäuser aus Holz, der kleinen Veranden und weißen Zäune, der Gärten und Obstwiesen, der freien grünen Flächen dazwischen.
    Am Ende des Tages, in der Nähe von Lancaster, New Hampshire, machte Steinbeck Halt auf einer Farm an einem plätschernden Fluss; dort durfte er kampieren. In Rosinantes Kajüte herrschte Chaos: Wegen des ständigen Auf und Abs auf den Bergstraßen waren Gegenstände durcheinandergepurzelt, und auf allem hatten sich fünfhundert Blatt Schreibmaschinenpapier verteilt. Der Farmer kam zu Besuch, die beiden Männer tranken Kaffee mit einem guten Schuss Apfelschnaps und sprachen ein wenig über die aktuelle politische Lage. In Die Reise mit Charley lässt

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