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Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition)

Titel: Amerika!: Auf der Suche nach dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geert Mak
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amerikanischen Truppen das Äußerste abverlangt, von den etwa 40 000 gefallenen UN-Soldaten waren 36 000 Amerikaner. Nach und nach hatte eine unterschwellige Angst von dem Land Besitz ergriffen – eine günstige Situation für Brandstifter vom Typ McCarthy.
    Die Karriere und das Leben unzähliger Amerikaner wurden ruiniert. Viele Künstler, unter ihnen Charlie Chaplin, gingen ins Exil. Steinbeck selbst blieb unbehelligt, seine Position war oft nicht klar erkennbar, doch als Arthur Miller sich weigerte, vor dem Komitee für unamerikanische Umtriebe Freunde und Kollegen zu denunzieren, und dafür verurteilt wurde, war Steinbeck der einzige Prominente, der öffentlich für ihn eintrat. Joseph McCarthy, Nachkomme irischer Einwanderer, appellierte an den typisch amerikanischen Nationalismus, der manchmal geradezu religiöse Züge hat. Dazu gehört ein unerschütterlicher Glaube an die Überlegenheit der amerikanischen Nation, wie sie der American Creed darstellt, eine so offensichtliche Überlegenheit, dass jeder Rückschlag nur mit Dekadenz oder Unterwanderung durch unamerikanische Kräfte erklärt werden kann: Kommunisten und andere »Rote«, unterstützt durch intellektuelle liberals . Vor allem arme Weiße, darunter viele Menschen irischer Abstammung, waren für diese Propaganda höchst empfänglich.
    McCarthy hatte einen Vorgänger, den populären katholischen Radioprediger Charles Coughlin, der in den dreißiger Jahren mit seinen Angriffen auf Kommunisten, Juden, liberals und die »rote« Elite allgemein gerade unter Amerikanern irischer Herkunft zahlreiche Anhänger fand. Seit jeher sahen sich viele von ihnen, teils zu Recht, teils zu Unrecht, als Benachteiligte; anders als Amerikaner jüdischer oder italienischer Herkunft erreichten Nachfahren irischer Einwanderer nur selten wichtige Positionen in Politik oder Wirtschaft. In Karikaturen wurden sie gern als einfältige »white niggers« dargestellt.
    Die antikommunistische Hysterie gab ihrer Verbitterung plötzlich ein Ventil. Durch militanten Nationalismus konnten sie sich als wahre Amerikaner erweisen und zugleich nach so vielen Demütigungen endlich einmal an der protestantischen Elite und den Intellektuellen von der Ostküste Rache nehmen. Denn auf einmal bestand jeder Katholik irischer Herkunft praktisch ungeprüft die obligatorischen Loyalitätstests, während man den Harvardabsolventen penibel auf den Zahn fühlte. Die Rollen waren vertauscht.
    Im Grunde waren die Anhörungen nichts als Theater, aber die Kommunistenjagd hatte bleibende, verheerende Auswirkungen auf die Gesellschaft. Zur Entlarvung wirklicher Spione – denn die gab es ja auch – trug McCarthy nichts bei. Er habe kaum mehr als Angst und Schlagzeilen produziert, schreibt David Halberstam; ein überzeugter Kommunist oder eine Spionagezelle wären vermutlich das Letzte gewesen, was er entdeckt hätte. Der UPI -Journalist George Reedy meinte: »Er konnte nicht einmal Karl Marx und Groucho auseinanderhalten.«
    Dennoch durfte McCarthy jahrelang schalten und walten, wie er wollte, denn für die meisten Republikaner und andere Konservative war er ein Geschenk des Himmels. Nach Ansicht der Konservativen war Amerika in den Jahren nach 1932 weit von seinem ursprünglichen Weg abgekommen. Sie räumten ein, dass Roosevelt ein guter Kriegspräsident gewesen sein mochte, verdammten aber den New Deal und alle durch ihn eingeleiteten Veränderungen. Selbst wenn sie McCarthy als Person verabscheuten, kam ihnen seine Hasskampagne gegen alles Progressive sehr gelegen. Im Grunde war es der New Deal , den sie fürchteten, nicht Unterwanderung oder Spionage.
    Tatsächlich erwies sich McCarthys Hetze auch langfristig als äußerst wirksam. Noch während des Vietnamkriegs, zehn bis fünfzehn Jahre später, taten Demokraten alles, um zu beweisen, dass sie nicht »soft on communism« waren. Und jahrelang konnten zum Beispiel Tagungen der internationalen Schriftstellervereinigung P.E.N. nicht in den Vereinigten Staaten stattfinden, weil manchen der Autoren allein wegen ihrer politischen Überzeugung das Visum verweigert wurde, unter ihnen mehrmals Graham Greene, Iris Murdoch und später Gabriel García Márquez. Was für ein freies Land ist das eigentlich?, schimpfte Steinbeck oft gegenüber Freunden. Er meinte, auch Sokrates hätte man wohl nicht einreisen lassen, weil er Umgang mit Kriminellen hatte, ebenso wenig Sappho, wegen ihrer Homosexualität.
    Für Joe McCarthy selbst war es dann schnell vorbei. 1954

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